FG Nürnberg: Ermittlung der Grundsteuer in Bayern verfassungsgemäß! Und was folgt für den Rest der Bundesrepublik Deutschland?

Das FG Nürnberg hat in einem Urteil entschieden, dass die Ermittlung der Grundsteuer anhand eines reines Flächenmodells, wie man dies nunmehr in Bayern vornimmt, verfassungskonform ist (Beschluss v. 08.08.2023 – 8 V 300/23).

Hintergrund

Im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die grundsteuerliche Bewertung von Immobilien für verfassungswidrig erklärt. Infolgedessen verabschiedete der Gesetzgeber im November 2019 ein neues Grundsteuergesetz, welches Öffnungsklauseln für die Bundesländer vorsieht. Die Öffnungsklauseln führen dazu, dass verschiedene Bewertungsmodelle zur Anwendung kommen und es keine bundeseinheitliche Bewertung mehr gibt.

Bayerisches Grundsteuergesetz

Vor dem FG Nürnberg gab es nunmehr eine Klage. Hier hatte der Eigentümer mehrerer Immobilien die Verfassungsmäßigkeit des Bayerischen Grundsteuergesetzes gerügt. Strittig war aus seiner Sicht, ob die Vollziehung von Bescheiden über die Grundsteueräquivalenzbeträge sowie den Grundsteuermessbetrag wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bayerischen Grundsteuergesetzes auszusetzen ist.

Der Antragsteller kam zu dem Schluss, dass durch flächenorientierte Ermittlung die Lasten ungerecht verteilt würden. Nach dem Bayerischen Berechnungsmodell führe dies dazu, dass die Grundsteuer in Bestlagen sinke, weil keine Differenzierung nach Wohnlagen vorgenommen werde. Es sei mit erheblichen Mehrbelastungen für Mieter und Grundstückseigentümer zu rechnen, dies sei ungerecht und nicht verfassungsgemäß. Weiterlesen

Steuerbefreiung fürs Familienheim bei Verschmelzung von Flurstücken?

Wird ein selbstgenutztes Familienheim vererbt, bleibt der Vorgang unter bestimmten Voraussetzungen erbschaftsteuerfrei. Bei der Vererbung an den Ehegatten oder Lebenspartner kommt es nicht auf die Größe des Eigenheims an, in den anderen Fällen tritt eine Vergünstigung ein, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG).

Was aber gilt, wenn sich die Immobilie auf einem extrem großen Grundstück befindet, das durch eine grundbuchmäßige Zusammenlegung gemäß § 890 BGB entstanden ist? Ist dann – neben dem Gebäude – der gesamte Grund und Boden begünstigt? Mit dieser Frage wird sich bald der BFH befassen müssen, und zwar in dem Verfahren II R 27/23. Zugrunde liegt ein Fall, über den das Niedersächsische Finanzgericht kürzlich entschieden hat (Urteil vom 12.7.2023, 3 K 14/23). Weiterlesen

Reduzierte Umsatzsteuer im Gastgewerbe und kein Ende

Am 21.9.2023 hat der Bundestag die Entfristung der auf sieben Prozent reduzierten Umsatzsteuer im Gastgewerbe ab 1.1.2024 bekräftigt. Am 29.9.2023 hat sich der Bundesrat erneut mit dem Thema befasst: Wann lenkt die Bundesregierung ein?

Hintergrund

Ich habe bereits berichtet:  Die Senkung des Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken von 19 Prozent auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent (§ 12 Abs.2 Nr.15 UstG) war zum 1.7.2020 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie eingeführt (Corona-Steuerhilfegesetz v. 19.6.2020, BGBl 2020 I S. 1385) und mehrfach verlängert worden, zuletzt bis 31.12.2023.

Das Gastgewerbe wartet händeringend auf eine dauerhafte Entfristung der Umsatzsteuersenkung über den 31.12.2023 hinaus: Zur Wiederherstellung internationaler Wettbewerbsgleichheit, zur Existenzsicherung tausender Gastronomiebetriebe und schließlich zum Schutz der Verbraucher vor Preiserhöhungen in der Gastronomie. Zuletzt sind am 21.9.2023 entsprechende Oppositionsanträge zur dauerhaften Entfristung ohne Erfolg geblieben: der Unionsantrag (BT-Drs.20/5810) wurde mit Regierungsmehrheit abgelehnt, Anträge der Linken (BT-Drs. 20/8409) und der AfD (BT-Drs.20/8416) an die Ausschüsse überwiesen. Die Zeit drängt, denn Gastronomen brauchen Planungssicherheit für 2024 ff. Weiterlesen

Risiko Zinsschwankungen bei Pensionsrückstellungen – Reformvorschlag des IDW

Steigende Zinsen. Des einen Freud, des andern Leid. Auch für die Bewertung von Pensionsrückstellungen gibt es hier erhebliche Auswirkungen. Bei Direktzusagen des Arbeitgebers machen diese einen beachtlichen Teil der Bilanzsumme aus. Derzeit gilt für die Bewertung bei der Erstellung des Jahresabschlusses jeweils der maßgebliche durchschnittliche Marktzinssatz am Bilanzstichtag der letzten zehn Geschäftsjahre. Schwankende Zinssätze bedeuten somit auch eine schwankende Bewertung der Pensionsrückstellungen.

Und was bedeutet dies für Unternehmen? Auswirkungen auf Finanzkennzahlen, die beispielsweise für Refinanzierungen wichtig sind. Die Gefahren? Der Anreiz für Direktzusagen an die Belegschaft wird dadurch im Keim erstickt. Denn in diesem Fall ist klar: Es gibt keinen Bewertungsspielraum, der maßgebliche Zinssatz ist festgelegt.

Und nun? Das IDW hat Anfang September ein Schreiben ans Bundesministerium der Justiz geschickt und einen konkreten Reformvorschlag gemacht. Das Ziel? Weiterlesen

Solartankstellenfördertopf nach einem Tag ausgeschöpft – Was läuft da schief?

Das staatliche KfW-Förderprogramm für Solartankstellen in selbstgenutztem Wohneigentum war beim Programmstart am 26.9.2023 am Tagesende bereits ausgeschöpft. Was heißt das für die Zukunft und wie ist das einzuordnen?

Hintergrund

Wer sein Elektroauto mit Solarstrom auflädt, soll dafür einen staatlichen Förderzuschuss für den Kauf und An­schluss von Lade­station, Photo­voltaik­anlage und Solar­strom­speicher bekommen – so der Plan des Bundes. Im KfW-Fördertopf sind hierfür insgesamt 500 Mio. Euro. Es gibt (besser: gab) einen Zuschuss von bis zu 10.200 Euro für Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum, die ein E-Auto besitzen oder zum Zeitpunkt der Antragstellung bestellt haben. Die Höchstfördersumme erhält nur, wer den Akku seines Fahrzeugs auch zum Entladen freigibt: Der Akku des Fahrzeugs kann so als Reserve dienen, aus der im Bedarfsfall auch Strom zurück ins Netz fließen oder im eigenen Haus anderweitig genutzt werden kann. Erfolgreiche Antragsteller haben für die Umsetzung zwei Jahre Zeit, erst nach erfolgter Umsetzung wird der Förderzuschuss ausgezahlt

Windhundprinzip führt zu Ansturm auf KfW-Förderprogramm

Programmstart war Dienstag, 26.9.2023. Wer zuerst kommt mahlt zuerst, wenn die Mittel ausgeschöpft sind, gibt es keine Förderung. Dieses Windhundprinzip hat zu einer Überlastung des digitalen KfW-Antragsportals geführt, ferner dazu, dass bereits am Abend des ersten Antragstages die Mittel von 300 Mio. Euro für 2023 ausgeschöpft waren. Insgesamt 33.000 Anträge wurden positiv entschieden, teilt die KfW aktuell mit. Dem Vernehmen nach versucht über 190.000 Interessenten, die KfW-Antragsseiten zu erreichen – die meisten ohne Erfolg.

Wie ist das zu einzuordnen und zu bewerten?

Das Interesse an dem neuen Photovoltaik-Förderprogramm war (absehbar) riesig; Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Unterlassung von Buchungen, die den Gewinn mindern

Die Unterlassung der Bildung von Rückstellungen bzw. die Einbuchung von Verbindlichkeiten: Ein beliebtes Instrument bei Bilanzmanipulationen. Denn wie die Fälle der Vergangenheit zeigen geht es meistens darum, den Gewinn zu hoch auszuweisen. Da passen Rückstellungen wunderbar dazu. Darüber hinaus müssen – anders als bei fingierten Umsatzerlösen – keine weiteren Belege gefälscht werden.

Wenn auch der Gewinn kurzfristig geschont werden kann: Langfristig sind die Folgen umso schlimmer. Denn die Manipulation von Bilanzen ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Schauen wir uns im letzten Beitrag der Serie an, wie die Täter in dem konkreten Fall vorgegangen sind. Weiterlesen

Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung: Keine Minderung um steuerpflichtige Ersatzleistung

Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen – so lautet kurz und knapp ein aktueller Beschluss des BFH vom 15.6.2023 (VI R 33/20). Der Leitsatz verschweigt ein wenig, dass die zugrundeliegende Problematik sowohl die Finanzgerichte als auch den BFH durchaus längere Zeit beschäftigt hat.

Es ging nämlich zunächst um die Frage, ob ein so genanntes Sterbegeld steuerpflichtig ist. Und dann um die weitere Frage, ob es, wenn es schon versteuert werden muss, trotzdem die als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Beerdigungskosten mindert.

Zur Historie:

Der BFH hat sich zweimal mit der Steuerpflicht des Sterbegeldes befassen müssen. So hat er entschieden, dass das pauschale Sterbegeld aus der Beamtenversorgung, das nach den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessen ist, nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei ist. Es handelt sich um einen Versorgungsbezug und damit um steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit. Unerheblich ist dabei, dass es sich um einen einmaligen Bezug handelt (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 8/19).

Zuvor hatte er bereits geurteilt, dass ein einmaliges Sterbegeld aus einer betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse) auch dann nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG einkommensteuerpflichtig ist, wenn es mangels lebender Bezugsberechtigter nicht an die Bezugsberechtigten i.S. des BetrAVG, sondern ersatzweise an die Erben gezahlt wird (BFH-Urteil vom 5.11.2019, X R 38/18).

Was im Lichte dieser beiden BFH-Urteile so eindeutig erscheint, war zuvor durchaus umstritten. Beachten Sie dazu die Blog-Beiträge „Aufreger des Monats Mai: Sterbegeld ´mal steuerpflichtig, ´mal steuerfrei“ und „Sterbegeld oder ´“Mit der einen Hand gegeben, mit der anderen genommen´.“

Der aktuelle Beschluss des BFH:

Werden außergewöhnliche Belastungen aus zu versteuerndem Einkommen geleistet, sind die entsprechenden Aufwendungen ohne Anrechnung der zu versteuernden Beträge nach § 33 EStG abziehbar. Denn eine (auch nur teilweise) Anrechnung der zu versteuernden Leistung auf die nach § 33 EStG abziehbare außergewöhnliche Belastung hätte eine unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen zur Folge.

Denkanstoß:

Die Begründung des BFH ist recht kurz gehalten. Er hat es offenbar nicht für nötig gehalten, der Ansicht der Finanzverwaltung mit vielen Worten entgegenzutreten. Ein Punkt soll aber dennoch erwähnt werden, weil der BFH darauf nur am Rande eingegangen ist: Die Vorinstanz erkannte die Beerdigungskosten nämlich „gekürzt um den Versorgungsfreibetrag“ als außergewöhnliche Belastung an. Man darf davon ausgehen, dass auch der BFH diese Kürzung als rechtens ansieht.

Neues zur Kapitalflussrechnung – DRSC beschließt Änderungen des DRS 21

Die Kapitalflussrechnung rückt immer mehr in den Fokus. Dies gilt nicht nur für Fehlerfeststellungen der Bafin, sondern auch die Weiterentwicklung von Rechnungslegungsstandards. Im Juni hat das DRSC, ein privater Verein zur Förderung der Fortentwicklung der Rechnungslegung, einige Änderungen zur Kapitalflussrechnung veröffentlicht.

DRS 21 beschäftigt sich mit der Kapitalflussrechnung. Die Anwendung gilt bereits für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 beginnen, d.h. also bereits für die Geschäftsberichte für das Jahr 2023. Schauen wir uns die wesentlichen Änderungen genauer an. Weiterlesen

Vorzeitiges Ende der Umsatzsteuersenkung für Gaslieferungen?

Die Ampelregierung ist aktuell uneins über eine vorzeitige Rückkehr zu einer höheren Gas-Mehrwertsteuer. Worum geht es, was spricht dafür und was dagegen? Wird das Heizen im Winter 2023/24 wieder teurer?

Hintergrund

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine schnellten die Gaspreise in Deutschland in die Höhe. Die Bundesregierung reagierte hierauf mit verschiedenen Entlastungsmaßnahmen, insbesondere dem EWPBG und dem StromPBG. Mit dem „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ (BGBl 2022 I S. 1743) wurde der Umsatzsteuersatz auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz und die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz rückwirkend ab 1.10.2022 bis 31.3.2024 von 19 auf 7 Prozent reduziert; das war Teil des Dritten Entlastungspakets der Bundesregierung. Einzelheiten hat das BMF in einem Schreiben vom 25.10.2022 (III C 2 – S 7030/22/10016 :005) erläutert. Jetzt will der Bundesfinanzminister die Steuerermäßigung vorzeitig mit Ablauf des 31.12.2023 aufheben, der Umsatzsteuersatz soll wieder auf 19 Prozent angehoben werden; die SPD hat bereits Bedenken geäußert.

Vorzeitiges Ende der Mehrwertsteuersenkung: Welche Mehrkosten wären damit verbunden? Weiterlesen

Nachzahlung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung per Summenbescheid ist kein Arbeitslohn

Die Höhe des Beitrages zur Sozialversicherung ist für jeden Arbeitnehmer eigentlich einzeln zu ermitteln und die Entgeltunterlagen sind getrennt zu führen. Mitunter verstoßen Arbeitgeber jedoch gegen die Aufzeichnungspflichten, etwa weil sie davon ausgehen, dass eine bestimmte Leistung überhaupt nicht der Sozialversicherung unterliegt. Wird ein solcher Verstoß von den Prüfern der Sozialversicherung aufgedeckt und ist eine Zuordnung des – nun der Sozialversicherung unterliegenden – Vorteils nicht getrennt möglich, können die Beiträge „von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte“ geltend gemacht werden. Vielfach werden die zusätzlichen Arbeitsentgelte geschätzt und gegenüber dem Arbeitgeber mittels eines so genannten Summenbeitragsbescheides festgesetzt (§ 28 f SGB IV).

Die Frage war, ob die (Nach-)Entrichtung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) aufgrund eines Summenbescheids nach § 28f Abs. 2 SGB IV zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt. Der BFH hat dies in einem aktuellen Urteil verneint (BFH-Urteil vom15.6.2023, VI R 27/20). Weiterlesen