Update: Abstimmung über EU-Lieferketten-RL auf unbestimmte Zeit verschoben – Ist das europäische Projekt gescheitert?

Die für den 14.2.2024 geplante finale Abstimmung über die EU-Lieferketten-Richtlinie hat Rat der Europäischen Union (Rat) auf unbestimmte Zeit verschoben. Ist das das Aus für das europäische Lieferkettengesetz?

Hintergrund

Ich habe im Blog bereits berichtet: Die EU-Kommission hatte am 23.2.2022 den Entwurf einer RL zur nachhaltigen Unternehmensführung, den Entwurf einer Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die neben Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung auch menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten definiert. Betroffene Unternehmen müssen danach entlang der gesamten Wertschöpfungskette Risiken ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten; dies gilt auch für vorgelagerte Ketten (z.B. Rohstoffabbau) wie nachgelagerte Ketten (Entsorgung). Am 14.12.2023 hatten sich die Verhandlungsführer von EU-Rat und EU-Parlament über die CSDDD (sog. EU-Lieferkettenrichtlinie) geeinigt, deren Inhalt die Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG, v. 16.7.2021, BGBl 2021 I S.2159) noch verschärfen würde.

FDP-Blockade führt zur Verschiebung auf unbestimmte Zeit

Innerhalb der Bundesregierung hat die FDP zuletzt ihre Bedenken gegen die europäische CSDDD bekräftigt: gegen den erklärten Willen der anderen beiden Koalitionspartner. Weiterlesen

Gilt der reduzierte Umsatzsteuersatz auf Gas doch bis 31.3.2024?

Eigentlich sollte die reduzierte Umsatzsteuer auf Gas (7%) vorzeitig Ende Februar 2024 auslaufen. Doch die Hängepartie um das Wachstumschancengesetz könnte zur Folge haben, dass die reduzierte Umsatzsteuer doch bis 31.3.2024 gilt.

Hintergrund

Mit der vom Bundestag am 22.9.2022 beschlossenen temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz (BT-Drs. 20/3530) wurde der Umsatzsteuersatz auf Gas und Fernwärme für die Zeit vom 1.10.2022 befristet bis 31.3.2024 von 19% auf 7% gesenkt (§§ 12 Abs.2; 28 Abs.5 UStG). Mit der Maßnahme beabsichtigte die Ampelregierung eine Entlastung der Verbraucher von den als Folge des Ukraine-Krieges gestiegenen Energiekosten.

Vorzeitiges Befristungsende im Wachstumschancengesetz geplant

Das vom Bundestag im November 2023 verabschiedete Wachstumschancengesetz sieht jedoch vor, dass die Mehrwertsteuersenkung bereits Ende Februar auslaufen soll. Denn die Energiepreise seien mittlerweile wieder gesunken, hieß es zu Begründung. Damit verbunden wäre eine erneute Änderung des zeitlichen Anwendungsbereiches von § 28 Abs. 5 UStG.

Auswirkungen des Vermittlungsausschussverfahrens

Allerdings hat das Wachstumschancengesetz den Bundesrat nicht passiert, der den Vermittlungsausschuss angerufen hat. Grund hierfür war vor allem, dass die Bundesregierung etliche Änderungsvorschläge des Bundesrates nicht berücksichtigt hatte; jetzt soll das Entlastungsvolumen von ursprünglich rund 7 Mrd. Euro voraussichtlich auf weniger als die Hälfte abgeschmolzen werden – ich habe im Blog berichtet.

Der Vermittlungsausschuss soll sich nun erst am 21.2.2024 mit dem Wachstumschancengesetz befassen. Die nächste reguläre Bundesratssitzung wäre dann erst am 22.3.2024 erreichbar, es sei denn es gibt vorher eine Sondersitzung.

Das Auslaufen des ermäßigten Steuersatzes auf Gas und Fernwärme zu Ende Februar hätte nach Ansicht des finanzpolitischen Sprechers der SPD erfordert, dass der Bundesrat am 2.2.2024 die entsprechende Änderung des Umsatzsteuergesetzes beschließt: „Das ist nicht passiert. Wir gehen deswegen davon aus, dass es bei dem ursprünglich beschlossenen Zeitraum bis Ende März bleibt, denn ein rechtzeitiger Gesetzesbeschluss ist nun nicht mehr möglich. Im Ergebnis begrüßen wir das, denn wir haben uns von Beginn an dafür eingesetzt, dass die Menschen bis zum Ende der Heizperiode bei den Heizkosten entlastet bleiben.“, heißt es. Etwas anderes wäre nur denkbar, wenn bei Einigung im Vermittlungsausschuss die Umsatzsteuersenkung rückwirkend kassiert wird. Das ist aber praktisch kaum denkbar, weil die Energieversorger dann vor nicht lösbaren Abrechnungsproblemen stünden.

Einordnung und Bewertung

Sollte es wegen der zeitlichen Verzögerung im Vermittlungsausschussverfahren dabei bleiben, dass der reduzierte Umsatzsteuersatz von 7% – wie ursprünglich geplant – bis 31.3.2024 erhalten bleibt, wäre das nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Abrechner ein Segen. Allerdings zeigt sich abermals, dass die Entlastungspolitik bei den Energiekosten wenig verlässlich ist und viel Verunsicherung schafft. Bereits die ursprünglich bis 31.12.2023 befristeten Energiepreisbremsen nach dem StromPBG und dem EWPBG sollten auf Basis der in den Gesetzen enthaltenen Verordnungsermächtigungen durch die am 16.11.2023 beschlossene PreispremsenverlängerungsV (PBVV) zunächst bis 30.4.2024, später im Gesetzgebungsverfahrens „nur“ bis 31.3.2024 verlängert werden. Daraus wurde nichts: die beschlossene PBVV wurde schlicht verkündet, so dass beim Auslaufen per 31.12.2023 blieb. Politische Verlässlichkeit sieht anders aus.

 

Kindergeldanspruch für Stiefkinder

Stiefeltern können kindergeldberechtigt sein, selbst wenn eine eingetragene Lebenspartnerschaft aufgelöst wird und das Stiefkind – nach vorübergehender Unterbrechung – wieder in den Haushalt des Stiefelternteils einzieht.

Was ist passiert?

Die Klägerin ist leiblicher Mutter von zwei Kindern. Nach der Scheidung von ihrem Mann lernte sie eine andere Frau kennen und lieben, die selbst Mutter zweier Kinder war. Sie entschlossen sich für eine eingetragene Lebenspartnerschaft und lebten mit ihren insgesamt vier Kindern in einem Hausstand.

Doch das Glück hielt nicht. Weiterlesen

Umsatzsteuer – Erleichterungen für Privatlehrer in Sicht?

Wer § 4 Nr. 21 UStG liest, in dem es um die Steuerbefreiung von Bildungseinrichtungen und von Referenten (Privatlehrern) geht, dem kann fast schwindelig werden. Neben einigen anderen Voraussetzungen ist für die Steuerfreiheit wichtig, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet wird. Zu Deutsch: Üblicherweise muss die Bezirksregierung bescheinigen, dass eine begünstigte „Bildungseinrichtung“ vorliegt.

Gilt der Privatlehrer nicht selbst als Bildungseinrichtung, sondern wird er nur „für“ eine solche tätig, benötigt zunächst die Bildungseinrichtung die entsprechende Bescheinigung und muss dann zusätzlich dem Referenten bestätigen, dass sie eine Bildungseinrichtung ist (vgl. dazu Abschnitt 4.21.3 Abs. 3 UStAE).

Alles klar? Wer sich mit diesem Wahnsinn näher befassen möchte, dem sei die Lektüre des BFH-Beschlusses vom 27.7.2021 (V R 39/20, BStBl 2021 II S. 964) empfohlen. Weiterlesen

Grundsteuerreform: Immer noch mehr als 1 Mio. Erklärungen fehlend!

Bereits ein Jahr ist es her, dass die offizielle Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärungen, die aufgrund einer Reform nach dem Urteil aus Karlsruhe bei den Finanzämtern einzureichen waren, abgelaufen ist. Denn: Von dem Jahr 2025 an wird eine neue Grundsteuer-Berechnung gelten. Karlsruhe entschied bereits im Jahr 2018, dass die bisherige Bemessungsgrundlage in Deutschland verfassungswidrig ist, da die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage völlig veralteter Daten errechneten und somit verfassungswidrig handelten.

Erklärungen immer noch nicht vollständig eingetroffen

Nach wie vor fehlen immer noch über 1 Mio. Grundsteuererklärungen. Ursprünglich war als Abgabefrist der Grundsteuererklärung Ende Oktober 2022 verstrichen gewesen. Weiterlesen

Verkauf eines unbebauten Grundstücksteils löst Spekulationsbesteuerung aus

Wer sein Eigenheim veräußert, bleibt – unter gewissen Voraussetzungen – von der Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts verschont. Was aber, wenn der Eigentümer eines großen Grundstücks, das mit einem Eigenheim bebaut ist, einen Teil abtrennt und den unbebauten Teil verkauft? Löst dieser Vorgang ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft aus? Vorausgesetzt natürlich, dass zwischen Kauf und Verkauf nicht mehr als zehn Jahre liegen.

Die Antwort wird den Fiskus erfreuen, nicht aber Grundstücksbesitzer und das Bundesbauministerium: Der Verkauf eines Grundstücksteils löst die Spekulationsbesteuerung aus! So lautet ein aktuelles Urteil des BFH vom 26.9.2023 (IX R 14/22). Weiterlesen

Update: Abstimmung über EU-Lieferketten-RL verschoben – Ist Deutschland kein verlässlicher EU-Partner?

Der Rat der Europäischen Union (Rat) hat am 9.2.2024 die Abstimmung über die EU-Lieferketten-Richtlinie verschoben

Hintergrund

Die EU-Kommission hatte am 23.2.2022 den Entwurf einer RL zur nachhaltigen Unternehmensführung, den Entwurf einer Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die neben Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung auch menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten definiert. Betroffene Unternehmen müssen danach entlang der gesamten Wertschöpfungskette Risiken ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten; dies gilt auch für vorgelagerte Ketten (z.B. Rohstoffabbau) wie nachgelagerte Ketten (Entsorgung).

Am 14.12.2023 hatten sich die Verhandlungsführer von EU-Rat und EU-Parlament über die CSDDD (sog. EU-Lieferkettenrichtlinie) geeinigt, deren Inhalt die Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG, v. 16.7.2021, BGBl 2021 I S. 2159) noch verschärfen würde.

FDP blockiert weiterhin deutsche Zustimmung

Innerhalb der Bundesregierung hat die FDP zuletzt ihre Bedenken gegen die europäische CSDDD bekräftigt: gegen den erklärten Willen der anderen beiden Koalitionspartner. Deshalb war Deutschland gehindert, bei der finalen Abstimmung im EU-Rat am 9.2.2024 zuzustimmen; die Abstimmung wurde verschoben. Weiterlesen

FG Hamburg: Anspruch auf Auszahlung der Energiepreispauschale durch den Arbeitgeber?

Besteht für die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber ein Rechtsschutzbedürfnis auf die Auszahlung der Energiepreispauschale? Und ist ein Arbeitgeber zur Zahlung einer Energiepreispauschale zu verurteilen? Darüber hatte das FG Hamburg zu entscheiden (1 K 163/23).

Hintergrund

Aufgrund der Energiekrise bekamen einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige bereits im September 2022 eine einmalige Energiepreispauschale. Die Pauschale in Höhe von 300 Euro sollte im Jahr 2022 einen Ausgleich für die hohen Energiepreise schaffen. Beschäftigte haben die Pauschale in den überwiegenden Fällen im September 2022 vom Arbeitgeber ausgezahlt bekommen.

Die klagende Arbeitnehmerin hatte die Pauschale allerdings nicht erhalten. Sie war seit dem Jahr 1994 in einem Arbeitsverhältnis mit ihrer Arbeitgeberin. Mit einer Mail im November 2022 teile die Arbeitgeberin der Klägerin mit, dass in 2022 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet werde, sodass es zu Besonderheiten bei der November-Verdienstabrechnung und der Auszahlung der Energiepreispauschale kommen werde. Die Energiepreispauschale – so die E-Mail der Arbeitgeberin – könne nicht über die Abrechnung ausgeschüttet werden, jedoch könne die Energiepreispauschale über die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 eingeholt werden.

Tatsächlich zahlte die Arbeitgeberin für die Monate September, Oktober und November 2022 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Arbeitnehmern kein Arbeitsentgelt und gab in dieser Zeit auch keine Lohnsteuer-Anmeldungen ab.

Klage auf Auszahlung der Energiepreispauschale?

Die Klägerin hatte daraufhin im Dezember 2022 Klage erhoben, mit der sie die Verurteilung zur Zahlung der Energiepreispauschale gemäß §§112 ff. EStG in Höhe von EUR 300,00 zzgl. Zinsen von der Beklagten verlangte. Denn nach ihrer Einschätzung hätte die Energiepreispauschale pflichtgemäß durch die Arbeitgeberin abgerechnet und ausgezahlt werden müssen. Weiterlesen

Keine Tarifermäßigung für Kapitalabfindung einer Direktversicherung – der BFH muss erneut entscheiden

Wer sich eine Direktversicherung in einer Summe auszahlen lässt, muss die Kapitalabfindung als sonstige Einkünfte in voller Höhe versteuern, wenn bzw. soweit die Beiträge bei Einzahlung steuerfrei waren (§ 22 Nr. 5 EStG). Das betrifft nicht nur, aber doch zumeist die Versicherungen, die seit 2005 abgeschlossen worden sind, denn die per Gehaltsumwandlung aufgebrachten Beiträge waren bzw. sind nach § 3 Nr. 63 EStG in bestimmtem Umfang steuerfrei. Bei Altverträgen kam hingegen zumeist eine Pauschalversteuerung zum Zuge, so dass Kapitalauszahlungen vielfach steuerfrei bleiben.

Wenn eine Kapitalabfindung bei den sonstigen Einkünfte zu versteuern ist, sollte man doch zumindest meinen, dass die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG zum Zuge kommen müsste. Doch weit gefehlt: Diese wird nicht gewährt – zumindest dann nicht, wenn bereits in der ursprünglichen Versorgungsregelung ein Kapitalwahlrecht enthalten ist. Weiterlesen

Webinar oder Präsenzschulung? Betriebsrat entscheidet wo‘s hingeht!

Nicht der Arbeitgeber, sondern die Personalvertretung entscheidet, ob ihre Mitglieder in einem Webinar oder auswärtig in einem Präsenzseminar weitergebildet werden – so das BAG in einer aktuellen Entscheidung (BAG v. 7.2.2024 – 7 ABR 8/23).

Worum ging es im Streitfall?

Die beim Arbeitgeber eingerichtete Personalvertretung (PV) entsandte zwei ihrer Mitglieder zu einer mehrtägigen auswärtigen Grundlagenschulung nach dem BetrVG. Hierfür zahlte die Arbeitgeberin die Seminargebühr, verweigerte aber die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Dies begründete sie vor allem damit, die Mitglieder der PV hätten – kostengünstiger – an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters teilnehmen können.

Wie hat das BAG entschieden?

Wie die Vorinstanzen hat auch das BAG den Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, bei der betriebsverfassungsrechtlichen Schulung nicht nur die Schulungskosten, sondern auch die Kosten der auswärtigen Unterbringung und Verpflegung zu tragen. Weiterlesen