Ohne Steuergefährdung keine „Strafsteuer“ nach § 14c Abs. 1 UStG

Das Umsatzsteuerrecht hält eine Kuriosität bereit: Wenn ein Unternehmer – gegebenenfalls erst durch ein Urteil des EuGH nach acht oder zehn Jahren – erreicht hat, dass seine Umsätze als steuerfrei gelten, so kann er sich darüber oftmals nur bedingt freuen. Denn wenn er – entsprechend der Auffassung der Finanzverwaltung – Umsatzsteuer in seinen Rechnungen ausgewiesen hat, schuldet er diese nach § 14c Abs. 1 UStG – Urteil hin oder her. Er müsste schon alle Rechnungen berichtigen, um der Steuerschuld zu entgehen. Das ist aber vielfach faktisch unmöglich.

Der EuGH hat dieser Ungerechtigkeit ein Ende bereitet, soweit es um Rechnungen an Privatleute geht. Mit Urteil vom 8.12.2022 (C-378/21) hat er entschieden, dass durch den unrichtigen Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen gegenüber nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfängern keine Steuergefährdung vorliegt und deshalb keine Steuerschuld gemäß Art. 203 MwStSystRL entsteht.

Nun hat – soweit erkennbar – das erste deutsche FG die EuGH-Rechtsprechung aufgegriffen und im Sinne des EuGH entschieden. Das Urteil des FG Köln lautet: Eine Steuerschuld nach § 14c UStG kann nicht entstehen, wenn feststeht, dass durch den unberechtigten oder unrichtigen Steuerausweis in einer Rechnung keine Steuergefährdung eintreten kann. Der Rechnungsaussteller muss in diesen Fällen weder die Rechnung berichtigen noch den zu viel vereinnahmten Steuerbetrag an den Rechnungsempfänger zurückzahlen (FG Köln, Urteil vom 25.7.2023, 8 K 2452/21).

Der – stark verkürzte – Sachverhalt

Der Sachverhalt ist recht komplex und soll daher nur sehr verkürzt wiedergegeben werden. Es ging um einen Postdienstleister. Streitig war, ob dieser für steuerfreie Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG, in denen er die Umsatzsteuer in seinen Rechnungen offen ausgewiesen hat, die Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 UStG schuldet. Erst nach jahrelangem Rechtsstreit wurde nämlich entschieden hat, dass die betreffenden Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind. Das Finanzamt sah eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG als gegeben an, doch der Kläger berief sich beim FG mit Erfolg auf das EuGH-Urteil. Bis auf etwa 0,1 Prozent seien die Rechnungen nur an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden erteilt worden.

Die Begründung in Kurzform

§ 14c Abs. 1 UStG ist richtlinienkonform in dem Sinn anzuwenden, dass sich keine Steuerschuld gemäß § 14c Abs.1 UStG ergibt, wenn feststeht, dass eine Steuergefährdung nicht eintreten kann. So verhält es sich im Streitfall. Der geringe Anteil von Rechnungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden spielt keine Rolle; insoweit rückt der Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer in den Vordergrund: Fazit: Art. 203 MwStSystRL hat Vorrang vor § 14c Abs. 1 UStG bzw. § 14c Abs. 1 UStG muss unionsgerecht interpretiert werden.

Denkanstoß:

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, denn unter dem Az. V R 16/23 liegt die Revision beim BFH vor. Es geht hier allerdings (auch) um andere Fragen, denn der o.g. Sachverhalt wurde stark verkürzt wiedergegeben.

In Bezug auf § 14c Abs. 1 UStG wird unter anderem Folgendes interessant sein: Der Kläger hatte zu einem sehr geringen Prozentsatz auch Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis an vorsteuerabzugsberechtigte Kunden erstellt. Das EuGH-Urteil könnte jedoch in der Weise verstanden werden, dass es nur greift, wenn die Leistungen ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurden, zumal sich das böse Wort “ ausschließlich“ im Tenor des EuGH-Urteil findet.

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