Seit Jahren erwirbt der Staat Steuer-CDs. Gerne wird anschließend die Öffentlichkeit informiert. Der Fiskus will damit auch Selbstanzeigen provozieren. Denn die Auswertung der Daten-CD bindet Ressourcen. Daher beschränkt man sich in der Regel auf medienwirksame Fälle: Personen des öffentlichen Lebens oder Sachverhalte mit hohen Hinterziehungssummen. Alle übrigen werden angeschrieben. Wird nicht unmittelbar ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, erwartet man als Reaktion eine Selbstanzeige.
Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: ein Gewöhnungseffekt ist eingetreten. Steuer-CDs, so die Wahrnehmung, dürfen angekauft werden. Inzwischen hätten dies auch Gerichte bestätigt. Nun soll das Land NRW eine weitere Steuer-CD erworben haben (Quelle: www.spiegel.de, Abruf vom 31.10.2015).
Fest steht: Bis heute ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob der Ankauf von Steuer-CDs durch den Staat rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.
Argumente gegen den Ankauf von Steuer-CDs
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die mögliche Strafbarkeit von Behördenvertreten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Steuer-CDs bzw. die Zurechnung rechtswidrigen Verhaltens des Steuer-CD-Verkäufers zur staatlichen Sphäre. Auch völkerrechtliche Bedenken werden angeführt.
Konsequenz: Die auf den Steuer-CDs befindlichen Informationen könnten in einem Straf-/Steuerverfahren unverwertbar sein. Damit verblieben derzeit bei Auslandssachverhalten nur eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten, um einen Steuerhinterziehungssachverhalt anderweitig aufzudecken.
Kritische Haltung von BFH-Präsident Prof. Rudolf Mellinghoff zum Ankauf von Steuer-CDs durch den Staat
Der Präsident des obersten deutschen Finanzgerichts, Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff, hat sich ebenfalls kritisch zum Ankauf von Steuer-CDs durch den Staat geäußert. Er ist der Auffassung, das Verfahren zum Ankauf von Steuer-CDs solle gesetzlich geregelt werden, damit Rechtssicherheit geschaffen wird. Der Staat dürfe nicht selbst Unrecht tun, um Unrecht zu bekämpfen (Quelle: www.Finanzen.net, Abruf vom 22.12.2014).
Bundesverfassungsgericht hat Ankauf von Steuer-CDs nicht abgesegnet
Auch die Rechtsprechung hat sich mit Steuer-CDs befasst. Von einer rechtlichen Absegnung des staatlichen Erwerbs von inkriminierten Steuerdaten kann jedoch nicht gesprochen werden.
Denn das Bundesverfassungsgericht setzte sich in seiner „Steuer-CD“-Entscheidung (Beschluss vom 9.11.2010, Az.: 2 BvR 2101/09) gerade nicht mit der Frage auseinander, ob der Erwerb der Daten rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Man mag die Entscheidung des Gerichts daher als eine „blanke Verweigerung“ ansehen, „sich in Fiskalsachen auf einen rechtsstaatlichen Diskurs einzulassen“, wie ein Strafrechtsprofessor anmerkte.
Gleichwohl bestätigte das Gericht, dass eine Wohnungsdurchsuchung auf einen Anfangsverdacht gestützt werden kann, der durch eine Steuer-CD aufgekommen war. Damit sind jedoch nicht sämtliche Fragen beantwortet, die eine mögliche Unverwertbarkeit der Daten in einem Strafverfahren betreffen.
VGH Rheinland-Pfalz: Verfassungswidrigkeit des Steuer-CD-Ankaufs denkbar
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Rheinland-Pfalz (vom 24.2.2014, Az.: VGH B 26/13) brachte neuen Wind in die Diskussion.
Zwar bestätigte auch dieses Gericht – bezogen auf den vorgelegten Einzelfall – die Verwertbarkeit der Daten. Im selben Atemzug führte das Gericht jedoch aus, dass „zukünftig [nicht] jegliche Verwertung von ausländischen Bankdaten, die durch ein rechtwidriges oder strafbewehrtes Verhalten eines privaten Dritten erlangt wurden, ohne weiteres mit der Verfassung in Einklang steht.“
Ferner: „Sollte es […] etwa zu einer verstärkten Involvierung staatlicher Behörden in das Procedere bezüglich der Datenbeschaffung oder zu einer planmäßigen Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und privaten Informanten kommen, wird die Frage der Zurechnung des privaten Handelns zum Staat und damit die Frage eines möglichen Verwertungsverbots solcher Daten neu aufgeworfen.“
Mit anderen Worten: Es sind Konstellationen möglich, in denen der Ankauf rechtswidrig erlangter Bankdaten verfassungswidrig ist. Damit steht auch die Verwertbarkeit der Daten in Frage.
AG Nürnberg: Kein Steuerhinterziehungsnachweis trotz Nennung auf Steuer-CD
Die Erkenntnismöglichkeiten von Steuer-CDs werden zudem überschätzt. Die Erfahrung lehrt, dass Fälle existieren, in denen kein Nachweis von Steuerhinterziehung trotz Vorhandenseins eines solchen Datenträgers gelingt: zum einen können die Daten gefälscht sein, zum anderen kann man zweifeln, ob die Steuer-CD – so sie denn echt ist – ausreichende Informationen enthält.
Ein vor dem Amtsgericht Nürnberg verhandelter Fall (Az.: 46 Ds 513 Js 1382/11) offenbarte die Dürftigkeit des Materials einer Steuer-CD – trotz namentlicher Nennung. Hinzu traten weitere Umstände, die den Verdacht der Steuerhinterziehung nicht erhärten konnten. Folge: Die Angeklagten wurden aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Wenn man der Sache mal etwas Witziges abgewinnen möchte:
… Danach soll der Anbieter für 54.000 Datensätze vier Millionen Euro verlangt haben. Um seine Glaubwürdigkeit zu demonstrieren, habe er Fragmente der Datensätze der deutschen Steuerfahndung überlassen. Die andere Hälfte habe er französischen Behörden angeboten. Doch die Ämter hätten über Grenzen hinweg Infos ausgetauscht. So sei alles zusammengefügt worden – und der Informant ging leer aus. … (Quelle: FOCUS zitiert nach WDR)