Am 24.09.2017 sind die Deutschen zur Wahl gerufen. Doch was kommt wohl danach? Aufschluss geben die Wahlprogramme der Parteien, die im Oktober Startpunkt für die Koalitionsverhandlungen sind.
„Steuern mit Steuern“ kommt wieder in Mode, denn die Parteien kündigen an, durch ihre Steuerpolitik Wachstumsimpulse zu setzen. Vor allem zwei Überlegungen der Parteistrategen stehen dabei im Vordergrund.
Durchbruch bei der steuerlichen Forschungsförderung?
Kürzlich erinnerte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf einer Podiumsdiskussion daran, dass eine steuerliche Forschungsförderung vor vier Jahren erst in der letzten Nacht der Koalitionsverhandlungen aus der Agenda gestrichen wurde. Die damals angehende GroKo hatte ihr Pulver bereits für andere Vorhaben verschossen. Weitere Mindereinnahmen sollten das Ziel des ausgeglichenen Haushalts, die schwarze Null, nicht gefährden. 2017 könnte es nun anders kommen. Nicht nur, dass der kraftstrotzende Bundesetat eine steuerliche F&E-Förderung problemlos bewältigen könnte. Auch die Parteien gehen mit dem Thema in seltener Eintracht auf Wählerfang.
Union will Wahlrecht und spendiert zwei Mrd. für KMU
Die Union will konkret zwei Milliarden Euro dafür spendieren. Im Fokus stehen kleine und mittlere Unternehmen, die ein Wahlrecht zwischen steuerlicher und der bekannten Projektförderung erhalten sollen. Die Einschränkungen wurden dem Vernehmen nach im Bundesfinanzministerium ausgeheckt, dessen Fachabteilung eine steuerliche F&E-Förderung kritisch sieht. Zur genaueren Ausgestaltung äußert sich die Union nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass eine Steuergutschrift auf den F&E-Aufwand angepeilt wird. Dies legt auch die von der CSU in ihrem Bayernplan gewählte Bezeichnung „Forschungsprämie“ nahe.
SPD: „Forschungsbonus“
Die SPD spricht in ihrem Wahlprogramm von einem „Forschungsbonus“ für kleinere und mittelständische Unternehmen, wenn diese Personal F&E einstellen. Auch bei den Sozialdemokraten fehlen Detailangaben zur Ausgestaltung. Streng genommen wird nicht einmal klar, ob überhaupt über das Steuersystem gefördert werden soll. Allerdings hat sich das sozialdemokratisch geführte Wirtschaftsministerium in den vergangenen vier Jahren immer wieder für die steuerliche F&E-Förderung stark gemacht.
Erklärungsbedürftig mutet allerdings die Forderung der SPD an, die Abschreibungsmöglichkeiten für F&E-Ausgaben für Unternehmen und Selbstständige zu verbessern. Steuerlich besteht schließlich bisher ein Aktivierungsverbot für selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter, das einem sofortigen Betriebsausgabenabzug entspricht und regelmäßig auch F&E-Aufwendungen erfasst. Und auch aus handelsrechtlicher Sicht erschließt sich nicht recht, worauf der Vorschlag abzielt.
Grüne: 15% Steuergutschrift in Verlustjahren
Die Grünen waren in den vergangenen Jahren die eifrigsten Fürsprecher der steuerlichen F&E-Förderung. Im März 2017 stellten sie sogar den Entwurf eines KMU-Forschungsförderungsgesetzes im Bundestag zur Abstimmung, der von der GroKo aber abgelehnt wurde. Das Programm greift den Entwurf wieder auf und fordert für kleine und mittlere Unternehmen eine Steuergutschrift von 15% auf alle F&E-Ausgaben. Der „Forschungsbonus“ soll in Verlustjahren an die Unternehmen ausgezahlt werden. Im Gesetzentwurf wurde die KMU-Grenze bei 249 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von 43 Mio. Euro gezogen. Über ihren Schatten springen die Grünen, indem sie keine Beschränkungen der förderbaren Bereiche vorsehen. Ob allerdings Gentechnik oder kerntechnische Forschung tatsächlich förderbar wären, wird sich wenn überhaupt, dann nach der Wahl herausstellen.
FDP: Ohne Einschränkungen
Da will auch die FDP nicht zurückstehen. Wie für die Grünen ist die Technologieoffenheit für die Liberalen ein zentraler Vorteil der steuerlichen F&E-Förderung. Auch die FDP will eine Forschungsprämie, die im Verlustfall, wenn nicht mit der Steuerschuld verrechnet werden kann, ausgezahlt wird. An einer entscheidenden Stelle setzt sich die FDP von der Konkurrenz ab: Die liberale Forschungsprämie wird nicht ausdrücklich an die Unternehmensgröße gekoppelt, könnte also auch größeren Unternehmen zur Verfügung stehen.
Selbst die AfD stimmt in den Chor mit ein und fordert die steuerliche Bedingungen für F&E zu verbessern. Die Linke hingegen sieht offenbar keinen Handlungsbedarf und schweigt.
Kleiner Bruder Wagniskapital
Start-ups gelten politisch als sexy. In den letzten Jahren hat die Politik mehrfach die Förderbedingungen verbessert. Die meisten Parteien wollen auch in den kommenden vier Jahren nicht nur neuen Produkten (F&E-Förderung), sondern auch jungen Unternehmen stärker unter die Arme greifen. Union und FDP setzen dabei ausdrücklich auf eine steuerliche Komponente. Die Union will bei den Kapitalgebern ansetzen. Mit der Formulierung „wer sich an Start-ups beteiligt, soll das bei der Steuer berücksichtigen können“, regt man die Fantasie der Wähler an, wie das wohl aussehen könnte.
Die FDP verfolgt einen umfassenderen Ansatz. Geht es nach ihr, werden in einem Venture-Capital-Gesetz u.a. die Substanzbesteuerung in der Gewerbesteuer sowie eine sogenannte steuerliche Diskriminierung von Eigen- gegenüber Fremdkapital abgebaut und Einschränkungen bei der Nutzung von Verlustvorträgen beendet. Außerdem will man dem Gewerbesteuerfreibetrag in den ersten drei Jahren nach Unternehmensgründung verdoppeln. Noch nicht ganz ausgegoren scheinen u.a. die Forderungen, Investitionen in Unternehmen „steuerlich anrechenbar“ zu machen und Investoren, die sich von ihrer Beteiligung trennen, „fair“ zu besteuern.
Fazit:
Während die Parteien in der Unternehmensbesteuerung allgemein recht wenig Ambitionen entwickeln, scheint sich eine ganz große Koalition zur Einführung einer steuerlichen F&E-Förderung in Form einer Steuergutschrift anzubahnen. Diese entspricht sicherlich nicht der reinen ordnungspolitischen Lehre, die das Steuerrecht von Lenkungsnormen gerade befreien will. Im Vergleich mit anderen ordnungspolitischen Sünden der Vergangenheit von Mindestlohn bis Mietpreisbremse erscheint sie aber außerordentlich attraktiv und eine Sünde wert.
Ohne Umschweife zu begrüßen wäre eine bessere steuerliche Förderung von Unternehmensgründungen. Vielleicht lässt sich mit Hilfe des vom Zeitgeist umwehten schicken Labels „Start-up-Förderung“, das ein wenig Silicon-Valley-Coolness in die Finanzpolitik bringt, zumindest für junge Unternehmen die eine oder andere überfällige Maßnahme endlich umsetzen.