Der Bundestag bleibt beharrlich: Auch im Rahmen des 3.Corona-Steuerhilfegesetzes hat es der Bundestag am 26.2.2021 mehrheitlich abgelehnt, eine Gesetzesinitiative für eine marktgerechte Anpassung der Finanzamtszinsen auf den Weg zu bringen.
Hintergrund
Aktuell werden bei der Verzinsung von Steuernachforderungen 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, indem die Steuer entstanden ist, monatlich 0,5 Prozent Zinsen (6 Prozent/Jahr) erhoben. Im umgekehrten Fall einer Steuererstattung gilt dasselbe. Seit der BFH (v. 25.4.2018 – IX B 21/18 und v. 3.9.2018 – VIII B 15/18) in einem Sofortverfahren ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken gegen den aktuellen Zinssatz geäußert und deshalb die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides angeordnet hat, eskaliert der Streit. Das BMF hat seit Ende 2018 auf Antrag die Vollziehung von Zinsbescheiden für Verzinsungszeiträume ab dem 1.4.2012 aus, hält aber im Übrigen im Anwendungserlasses zur Abgabenordnung am Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat fest (BMF-Schreiben v. 14.12.2018 – IV A 3 – S 0465/18/10005-01/ AEAO v. 31.1.2019 – IV A 3 –S 0062/18/10005)
Entschließungsantrag im Rahmen des 3. Corona-Steuerhilfegesetzes ohne Erfolg
Die politischen Kritiker der aktuellen Zinssatzhöhe im Bundestag haben sich wiederholt „die Finger wund geschrieben“, wenn es darum ging die Finanzamtszinsen endlich marktgerecht anzupassen.
Im Zusammenhang mit dem vom Bundestag am 26.2.2021 beschlossenen 3. Corona-SteuerhilfeG wurde – diesmal von der Fraktion der AfD – von der Opposition abermals vorgeschlagen, den Zinssatz in § 238 AO von derzeit 0,5 Prozent/Monat auf marktgerechtes Zinsniveau nach unten anzupassen.
Der Entschließungsantrag sah vor:
„..die gesetzlich vorgeschriebenen Zinsen im Steuerrecht nach § 238 AO an den jeweils geltenden Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zuzüglich eines Aufschlags von 3 Prozentpunkten p.a. für die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, die Stundungszinsen nach § 234 AO, die Verzinsung von hinterzogenen Steuern § 235 AO, die Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge nach § 236 AO und die Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung nach § 237 AO anzugleichen und damit bis auf weiteres abzusenken.“
In seltsamer Einmütigkeit wurde dieses Ansinnen aber von allen anderen Fraktionen im Bundestag abgelehnt. Das ist erstaunlich, nachdem allen politischen Kräften bekannt ist, dass auf Basis der europäischen Zinspolitik auch in den nächsten Jahren von einem gleichbleibend niedrigen Zinsniveau auszugehen ist, eine Zinsrendite von 6 Prozent/Jahr bei mündelsicheren Anlagen also eher in den Bereich der Märchenwelt gehört.
Zinssatzhöhe weiterhin auf dem Prüfstand
Der BFH hat bekanntlich schon 2018 die Zinssatzhöhe beanstandet – ich habe berichtet. Inzwischen ist dort ein weiteres Verfahren anhängig (BFH – IV R 19/19): Schuldzinsen sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden mit 6% der Überentnahmen typisiert. In dem Verfahren stellt sich jetzt die Frage, ob diese typisierte Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen angesichts des strukturellen Niedrigzinsniveaus gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Übermaßverbot verstößt.
Das BVerfG wollte nach der Jahresvorausschau 2020 bereits im letzten Jahr über die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes nach § 238 AO entscheiden (Vorausschau Nr. 22). In den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 geht es um die Frage, ob die Zinsregelung des § 238 AO in den VZ ab 2010 bzw. ab VZ 2012 verfassungswidrig war. Entschieden hat das BVerfG allerdings bis heute nicht.
In der soeben veröffentlichten Jahresvorausschau für 2021 findet man auf den Internetseiten des BVerfG wenigstens die Vorankündigung unter Nr.18. Dabei wäre eine Entscheidung so nötig. Denn mit einer Bewegung des Gesetzgebers im laufenden Jahr ist nicht mehr zu rechnen – warum auch?
Erst im Herbst 2021 sind Bundestagwahlen …
Quellen