Nicht abziehbare Schuldzinsen

BFH zur Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG


Schuldzinsen können nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG nicht abziehbar sein, wenn sie aus Überentnahmen resultieren. Die Ausgestaltung dieser Norm beruht auf dem Eigenkapitalmodell und der Vorstellung, dass der Betriebsinhaber dem Betrieb bei negativem Eigenkapital nicht mehr Mittel entziehen darf, als er erwirtschaftet und eingelegt hat.

Da die Berechnung trotz Hilfsmittel nicht ganz einfach ist, verwundert es wohl nicht, dass zwei Parteien nun vor dem BFH darum stritten, in welcher Höhe die Schuldzinsen nicht abziehbar waren.

Was ist passiert?

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, an der die Kommanditisten A (60 %) und B (40 %) beteiligt sind. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das jeweils am 28. Februar endet. Im Jahr 2001 übernahm A alle Anteile von B; im Jahr 2003 übertrug A seine Kommanditbeteiligung unentgeltlich auf die C-Stiftung.

Zum Jahresschluss 1998 ergaben sich für A Unterentnahmen. Vor der Übertragung auf die Stiftung tätigte A nun noch eine Entnahme. Bei der Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG zum Bilanzstichtag 2003 berücksichtigte das Finanzamt allerdings nur die seit dem 01.01.1999 entstandenen Unterentnahmen, die auf den zuvor nicht entnommenen Gewinnen beruhte.

Aufgrund der letzten Entnahme ermittelte das Finanzamt eine Überentnahme, die es für die Stiftung als unentgeltliche Rechtsnachfolgerin fortführte, obwohl diese per Saldo bei der Übertragung ein positives Kapitalkonto erhalten hatte. Hieraus ergaben sich nicht abziehbare Zinsen, die das Finanzamt in den Bescheiden für die Streitjahre 2004 bis 2008 Gewinn erhöhend berücksichtige.

Im Wirtschaftsjahr 2004/2005 übertrug die C-Stiftung einen Betrag vom Sonderbetriebsvermögen als „Einlage“ in das Gesamthandsvermögen. Das Finanzamt hatte den Vorgang zunächst in den Gewinnfeststellungsbescheiden als bei der Berechnung des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigende Einlage zugrunde gelegt. Im Einspruchsverfahren erklärte die Klägerin, die Einlage der Kommanditistin sei fremdfinanziert und machte Schuldzinsen geltend.

Gegenstand des Rechtstreits, der bis zum BFH ging, ist allein die Feststellung der Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns der Klägerin, denn die Beteiligten streiten nur darum, ob und ggf. in welcher Höhe das FA in den Streitjahren 2004 bis 2008 von der Klägerin geltend gemachte Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG als nicht abziehbar hinzurechnen durfte.

Unterentnahmen vor dem 01.01.1999 bleiben unberücksichtigt

Der BFH bestätigte, dass das Finanzgericht zurecht davon ausgegangen ist, dass Unterentnahmen aus der Zeit vor dem 01.01.1999 bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen sind und dass bei einer unentgeltlichen Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG der Übernehmer des Betriebs bzw. eines Mitunternehmeranteils hinsichtlich der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags in die Position seines Rechtsvorgängers eintritt.

4 Abs. 4a EStG gilt erstmals für das Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.1998 endet. Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre bleiben unberücksichtigt. Die Rechtsprechung des BFH hat bereits geklärt, dass § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den Gleichheitssatz und den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt.

Bedeutung der fremdfinanzierten Einlage

Das FG ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass es entscheidungserheblich ist, ob die fremdfinanzierte Einlage der C-Stiftung im Wirtschaftsjahr 2004/2005 bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG als Einlage zu berücksichtigen ist. In diesem Punkt trugen die Feststellungen des Finanzgerichts nicht seinen Entscheidungstenor; der BFH hat der Klage daher in diesem Punkt stattgeben.

Für das Streitjahr 2004 konnte die Frage, ob die Einlage bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist, allerdings nicht entscheidungserheblich sein. Denn nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt bei Gewerbetreibenden, die, wie die Klägerin, ein abweichendes Wirtschaftsjahr haben, der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Da die kreditfinanzierte Einlage im Wirtschaftsjahr 2004/2005 erbracht wurde, konnte sich die Streitfrage jedoch erstmals im Streitjahr 2005 stellen.

Verluste dürfen Überentnahmen nicht begründen oder erhöhen

Die Sache war allerdings für den BFH nicht spruchreif. Das Finanzgericht hatte bei seiner Entscheidung dem Umstand nicht ausreichend Rechnung getragen, dass Verluste Überentnahmen nicht begründen oder erhöhen dürfen.

Für die Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ist zunächst vom einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen. „Gewinn“ i.S. des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ist daher grundsätzlich auch ein Verlust. Nichts anderes gilt bei der Berechnung der in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG legal definierten Unterentnahme. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, den Gewinnbegriff in den verschiedenen Tatbeständen des § 4 EStG unterschiedlich auszulegen.

Überentnahmen in Verlustjahren?

Allerdings ist davon insoweit eine Ausnahme geboten, als Verluste für sich genommen nicht zu einer Kürzung des Schuldzinsenabzugs führen dürfen. Die Ausgestaltung des § 4 Abs. 4a EStG beruht auf dem Eigenkapitalmodell und der Vorstellung, dass der Betriebsinhaber dem Betrieb bei negativem Eigenkapital nicht mehr Mittel entziehen darf, als er erwirtschaftet und eingelegt hat. Diese Norm will den Schuldzinsenabzug für den Fall einschränken, dass der Steuerpflichtige mehr entnimmt, als ihm hierfür an Eigenkapital zur Verfügung steht. Dem würde es widersprechen, wenn Schuldzinsen allein deshalb unter dem Gesichtspunkt der „Überentnahme“ nicht abziehbar wären, weil der Steuerpflichtige einen Verlust erwirtschaftet hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn er niemals eine Entnahme getätigt hat. Es ist daher anerkannt, dass in einem Verlustjahr bei isolierter Betrachtung dieses Jahres die Überentnahme nicht höher sein darf als die Entnahme und auch nicht höher als die Differenz zwischen Entnahme und Einlage. Die Überentnahme des aktuellen Wirtschaftsjahres ist auf den Entnahmenüberschuss begrenzt. Übersteigen umgekehrt die Einlagen die Entnahmen, wird der Einlagenüberschuss mit dem Verlust verrechnet, so dass der Verlust die Unterentnahme dieses Jahres ggf. bis auf Null mindert. Diese Grundsätze gelten nach Ansicht des X. Senats des BFH auch bei der periodenübergreifenden Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG.

Da aber ein Verlust für sich genommen keine Überentnahme begründen darf, sei in einem zweiten Schritt im Wege der teleologischen Reduktion die Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen des aktuellen Jahres auf den kumulierten Entnahmenüberschuss der Totalperiode zu begrenzen. Der kumulierte Entnahmenüberschuss errechne sich dabei aus den Entnahmen der Totalperiode abzüglich der Einlagen der Totalperiode.

Fazit

Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist begrenzt auf den Entnahmeüberschuss des Zeitraums von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr. Damit schließt sich dieses Urteil an das BFH-Urteil vom 14.03.2018, X R 17/16 an.

Eine Entnahme bzw. eine Einlage i.S. des § 4 Abs. 4a EStG liegt nicht vor, soweit ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil gemäß § 6 Abs. 3 EStG unentgeltlich übertragen worden ist. Insoweit handelt es sich um eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung. Was im Übrigen auch für die Regelung in § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 gilt, nach der diese mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist.

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