Der BFH hat aktuell abermals die Verfassungsmäßigkeit des „Soli“ bestätigt, jedoch schon letztes Jahr eine gesetzgeberische Überprüfung des Soli-Fortbestands ab VZ 2025 angemahnt. Wann wird der Gesetzgeber endlich handeln?
Hintergrund
Der ursprünglich befristete Soli von 1991 zur Finanzierung des Golf Krieges war bis Mitte 1992 befristet, wurde dann Mitte der 90er Jahre aber zur Finanzierung der Zusatzlasten aus der deutschen Wiedervereinigung eingeführt, unbefristet durch das Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG 1995, BGBl 1995 I S. 1959). Seit etlichen Jahren wird um die Abschaffung dieser Ergänzungsabgabe (Art. 106 GG) gerungen, auch vor den Finanzgerichten bis hin zum BVerfG. Mit Auslaufen des Solidarpaktes II Ende 2019 und der Reform des Soli ab VZ 2020, die seitdem die Erhebung auf rund 10 Prozent „Besserverdienende“ beschränkt, wird darum gestritten, ob diese Ungleichbehandlung der Steuerzahler noch verfassungsmäßig ist
BFH bestätigt Verfassungsmäßigkeit des „Soli“
Die Position des BFH war zum „Soli“ bislang eindeutig: Der BFH hält die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags für den Veranlagungszeitraum 2005, 2007, 2011 und zuletzt für die Veranlagungszeiträume bis 2021 für finanzverfassungsrechtlich gerechtfertigt, also verfassungskonform.
Im September 2023 (BFH v. 26.9.2023 – IX R 9/22) ist abermals der Versuch gescheitert, die Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Soli ab 2020 ein weiteres Mal dem BVerfG zuzuführen. Zuletzt hat der BFH am 20.2.2024 (IX R 27/23) die Verfassungsmäßigkeit bestätigt: Die Erhebung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 1999 bis 2002 war danach verfassungsgemäß. Der Zuschlag stellt in diesem Zeitraum eine finanzverfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG dar. Eine Richtervorlage des FG Niedersachsen blieb im Juni 2023 vor dem BVerfG ohne Erfolg (BVerfG v. 7.6.2023 – 2 BvL 6/14).
Haushaltsentwurf 2025 steht an
Seit 30.1.2023 wissen wir: Der BFH (17.1.2023 – IX R 15/20) hält den Soli auch ab 2020 für verfassungsgemäß, er darf also auch weiterhin erhoben werden, der Fiskus verdient damit satte rund 11 Mrd. Euro zusätzlich an Steuern im Jahr. Im Gesetz zur Rückführung des Solidaritätsausgleichs aus dem Jahr 2019 beschloss die damalige Große Koalition, dass Besserverdiener – die oberen 10% der Einkommen – den Zuschlag weiter zahlen müssen, die übrigen 90% wurden ausgenommen. Das genügt dem BFH nicht für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs.1 GG). Ein Zeitraum beim Solidaritätszuschlag von jedenfalls 26 bzw. 27 Jahren nach seiner Einführung ist dem BFH noch immer nicht genug, um das Ende der Bewältigung einer Generationenaufgabe anzunehmen, erst nach 30 Jahren bestehe eine Überprüfungspflicht, deshalb bestand in 2021 noch keine Pflicht zur Aufhebung des SolzG1995.
„Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG im Grundsatz unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe den Zweck hat, einen vorübergehenden, aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren; sie darf damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein“, hat der BFH im Januar 2023 festgestellt. Führende Steuerrechtler bezweifeln schon länger, ob die Rechtfertigung für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe noch besteht.
Die Zurückführung des Solidaritätszuschlags ist zwar erklärtermaßen „im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags“ erfolgt (BFH v. 17.1.2023 IX R 15/20 Rz. 52 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 19/14103, S. 2, 9 und 11), eine konkrete Ausstiegsperspektive gibt es aber bislang nicht. Wenn dem Gesetzgeber nach BFH-Ansicht (Rz. 55) ein „Generationenabstand“, also ein Zeitraum von 30 Jahren zuzubilligen ist, läuft dieser Ende 2024 ab.
Das bedeutet, dass sich der Gesetzgeber jetzt auch beim Haushaltsentwurf 2025 Gedanken darüber machen muss, wie er die Aufrechterhaltung des „Soli“ weiter rechtfertigen will. Nach der BMF-Planung soll der Entwurf des Haushalts am 3.7.2024 vom Kabinett beschlossen werden. Dem Vernehmen nach ist der erste Entwurf aber schon jetzt mit mehr als 30 Mrd. Euro „überbucht“, ein vorheriges Eckwerteverfahren soll es dieses Mal nicht geben. Das alles sind schlechte Vorzeichen für die von sog. Besserverdienern erhoffte vollständige Abschaffung des Soli, die gesetzgeberisch ja noch 2024 „aufs Gleis gesetzt“ werden müsste. Kommt sie nicht, steht der Gesetzgeber aber unter einem besonderen Begründungszwang für die Weitererhebung der Ergänzungsabgabe.