Durch ein neues BMF-Schreiben v. 05.01.2022 (IV C 5 – S 2334/19/10017 :004) hat die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des BFH zum sog. Zusätzlichkeitserfordernis bei Gehaltsumwandlungen bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2019 für anwendbar erklärt. Was hat es damit auf sich?
Hintergrund
Des einen Freud, des anderen Leid! So kann die Rechtsprechung des BFH zum sog. Zusätzlichkeitserfordernis bezeichnet werden, welche mit Urteil des 01.08.2019 (VI 32/18) neue Maßstäbe setzte. Die Richter hatten darin festgestellt, dass das für bestimmte, lohnsteuerlich begünstigte Arbeitgeberleistungen, zu erfüllende Kriterium der Zusätzlichkeit schon dann erfüllt ist, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn eines Arbeitnehmers zugunsten einer verwendungs- und zweckgebundenen Leistung des Arbeitgebers – arbeitsrechtlich wirksam – herabgesetzt wird. Im Fall war das Bruttogehalt eines Arbeitnehmers zugunsten von lohnsteuerlich begünstigten Zuschüssen des Arbeitgebers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die Nutzung von Internet herabgesetzt.
Die Richter entschieden, dass ohnehin geschuldeter Arbeitslohn derjenige Lohn ist, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt. Hingegen liege zusätzlicher Arbeitslohn vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Mitarbeiter auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat. Durch diese Beurteilung änderte der BFH seine Rechtsprechung aus dem Jahre 2012.
Nichtanwendungserlass
Die Finanzverwaltung wollte diese Rechtsprechung nicht anwenden und erließ einen Nichtanwendungserlass (BMF, Schreiben v. 5.2.2020 – IV C 5 – S 2334/19/10017 :002). Hierin konstatierte sie, dass der Gesetzgeber auf die Formulierung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ insbesondere dann zurückgegriffen habe, wenn Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder -umwandlungen explizit von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen werden sollten. Daher seien allein „echte“ Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt.
Mit Schreiben v. 05.01.2022 hat die Finanzverwaltung diesen Nichtanwendungserlass allerdings aufgehoben und die Rechtsprechung für allgemein anwendbar erklärt – das aber nur bis einschließlich 2019. Damit darf in allen offenen Fällen bis einschließlich dem Jahr 2019 die positive Rechtsprechung des BFH angewendet werden.
Jahressteuergesetz 2020 kodifizierte Zusätzlichkeitserfordernis
Eine darüberhinausgehende Nichtanwendung mittels BMF-Schreiben wurde obsolet. Denn mit dem Jahressteuergesetz 2020 hatte der Gesetzgeber das Zusätzlichkeitserfordernis universal für das gesamte EStG – und zwar mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2020 – gesetzlich geregelt. Hierzu regelte der Gesetzgeber in § 8 Abs. 4 EStG, dass das Zusätzlichkeitserfordernis nur dann erfüllt ist, wenn
- die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet wird;
- der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der anderen Leistung herabgesetzt wird;
- die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird und
- bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.
Neues BMF-Schreiben sichert Anwendbarkeit der BFH-Rechtsprechung bis 2019
Durch das neue BMF-Schreiben wird die Anwendbarkeit des „alten“ BMF-Schreibens v. 05.05.2020 eingeschränkt. In allen offenen Fällen ist daher die Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 01.08.2019 (VI R 32/18) anzuwenden, soweit es Sachverhalte der VZ bis einschließlich 2019 betrifft. Zusätzlichkeit ist in diesen Fällen vorliegend, soweit der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten von verwendungs- bzw. zweckgebundenen Arbeitgeberleistungen arbeitsrechtlich herabgesetzt wurde. Gehaltsumwandlungen sollten so unter diesen Prämissen nochmals einer genau(ere)n Betrachtung unterzogen werden.