Neues von der ESMA zu Joint Arrangements – „Geheimgericht“ zur IFRS-Rechnungslegung?

Die European Securities and Markets Authority (ESMA, deutsch: Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) ist Bestandteil des europäischen Finanzaufsichtssystems. Sie soll zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems der Europäischen Union beitragen, indem sie den Anlegerschutz verbessert und stabile und geordnete Finanzmärkte fördert. Jüngst hat die ESMA unter anderem Entscheidungen zur Bilanzierung von gemeinsamen Vereinbarungen (Joint Arrangements) nach IFRS 11 veröffentlicht. Dies will ich zum Anlass nehmen, nicht nur über eine der Entscheidungen zu berichten, sondern die Bedeutung der ESMA für die Durchsetzung einer einheitlichen Rechnungslegung kurz zu skizzieren.

Die Aufgaben der ESMA sind

  • die Bewertung von Risiken für Investoren, Märkte und finanzielle Stabilität,
  • die Ausarbeitung eines einheitlichen Regelwerks für die EU-Finanzmärkte,
  • die Förderung der aufsichtsrechtlichen Konvergenz,
  • die direkte Überwachung bestimmter Finanzinstitute.

In diesem Zusammenhang fördert die ESMA die konsequente Anwendung der IFRS und die Konvergenz bei der Durchsetzung in Europa. Die ESMA bildet ein Netzwerk der europäischen Enforcement-Institutionen für IFRS. Bedeutende Fälle werden im Netzwerk erörtert, um eine einheitliche Vorgehensweise zu erreichen. Die ESMA veröffentlicht von Zeit zu Zeit Auszüge aus der vertraulichen Datenbank über Entscheidungen zur IFRS-Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa. Jüngst wurde dabei auch über Entscheidungen berichtet, die sich auf die Einordnung von Joint Arrangements richten.

Nach IFRS 11 liegt ein Joint Arrangement vor, wenn die beteiligten Parteien die einstimmige, gemeinsame Beherrschung über die wesentlichen Aktivitäten ausüben (IFRS 11.4 ff.). Anhand der Rechte und Pflichten, die die Parteien an einer gemeinschaftlichen Vereinbarungen haben, werden diese in gemeinschaftliche Tätigkeiten (Joint Operations) und Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) eingeteilt.

Parteien einer gemeinschaftlichen Tätigkeit haben Rechte an deren Vermögenswerten und Verpflichtungen aus deren Schulden (IFRS 11.15). Daher werden Vermögenswerte und Schulden sowie die daraus entstehenden Aufwendungen und Erträge anteilig im Abschluss der Parteien erfasst (IFRS 11.20 ff.). Bei einem Gemeinschaftsunternehmen haben die Parteien einen Anspruch an dessen Nettovermögen (IFRS 11.16). Das Engagement wird nach der Equity-Methode bilanziert (IFRS 11.24).

Nun zum Fall: Einzelhandelskonzern A ist zu 42% an einem Unternehmen B beteiligt, das Einkaufszentren besitzt und verwaltet. Die weiteren Investoren halten zwischen 1,6% und 14,5% der Anteile. Die Aktivitäten von B sind die Immobilienentwicklung, Vermietung und Management von Einkaufszentren sowie der Erwerb und die Veräußerung von Vermögenswerten.

Alle wesentlichen Entscheidungen bei B werden von seinem Leitungsorgang getroffen. Nach den Statuten von B nominiert A bis zu 5 der 12 Mitglieder des Leitungsorgangs. Ein Mitglied sollte unabhängig sein und jeder der sechs Aktionäre, die mehr als 5% der Aktien halten, nominiert ein Mitglied. Einige Entscheidungen, wie die Genehmigung des Budgets, die Überprüfung des Geschäftsplans, wesentliche Investitionen oder Veräußerungen, die Aufnahme von Fremdkapital oder die Verschmelzung oder Übertragung von Vermögenswerten bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Sie können daher nicht gegen den Willen von Unternehmen A durchgesetzt werden.

A vertrat die Auffassung, B sei ein Joint Arrangement, da A 42% der Aktien von B hielt und A daher bei einigen Entscheidungen ein Vetorecht habe. Daher müsse in diesen Fällen eine Vereinbarung zwischen A und anderen Aktionären gefunden werden, was eine gemeinschaftliche Beherrschung begründe.

Dieser Auffassung folgte die zuständige Enforcementeinrichtung nicht. A übe keine gemeinsame Kontrolle mit anderen Aktionären über B aus. Gemeinsame Kontrolle setzt voraus, dass die Entscheidungen über die relevanten Aktivitäten die Zustimmung sämtlicher Parteien erfordert, die gemeinsame Kontrolle ausüben (IFRS 11.7). Im vorliegenden Fall konnte A die erforderliche Mehrheit für Entscheidungen jedoch mit verschiedenen Parteien erreichen, weswegen keine gemeinsame Kontrolle vorlag.

Wie man schon an diesem einfachen Fall feststellen kann, handelt es sich bei der Qualifikation von Joint Arrangements um “vermintes Gelände”. Der Standard selbst wirft schon erhebliche Auslegungsfragen auf. Hier wurde nur ein kleiner Ausschnitt der Regularien dargestellt. Hinzu kommen reale Sachverhaltgestaltungen, die eine Einordnung auch nicht immer erleichtern. Glücklich mag der sein, der sich mit solchen Fragen nicht auseinandersetzen muss.

Weitere Informationen auf der Webseite der ESMA:

https://www.esma.europa.eu/

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