Der BFH hatte bereits in 2019 (Urteil v. 13.09.2019 – XI R 1/17) entschieden, dass Abmahnungen, die ein Rechteinhaber zur Durchsetzung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegenüber einem Rechtsverletzer vornimmt, umsatzsteuerpflichtig sind. Das BMF hat daraufhin mit einem entsprechenden BMF-Schreiben reagiert.
BFH-Urteil v. 13.09.2019
Mit der Unterstützung einer Rechtsanwaltskanzlei ließ eine Tonträgerherstellerin diejenigen Personen, die ihre Tonaufnahmen im Internet rechtswidrig verbreitet hatten, abmahnen. Dabei bot sie an, gegen die Zahlung von pauschal 450 Euro von einer gerichtlichen Verfolgung abzusehen. Die erhaltenen Zahlungen wurden als Schadensersatz für die Urheberrechtsverletzungen eingeordnet und keine Umsatzsteuer gezahlt. Die von der Rechtsanwaltskanzlei in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wurde gleichzeitig als Vorsteuer abgezogen. Der BFH folgte der Auffassung der Tonträgerherstellerin nicht und stellte klar, dass ganz unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung durch die Beteiligten Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs der Umsatzsteuer unterliegen.
Neues BMF-Schreiben v. 01.10.2021 (III C 2 – S 7100/19/10001 :006)
In ihrem am 01.10.2021 veröffentlichtem Schreiben geht die Finanzverwaltung auf die Grundsätze des Urteils ein und bestätigt, dass eine Abmahnung eine Leistung i.S.d. UStG darstellt.
Das BMF behandelt dabei folgende Punkte:
- Dadurch, dass der Abmahnende den Abgemahnten auf einen Rechtsverstoß aufmerksam macht und ihm gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, eine gerichtliche Auseinandersetzung kostengünstig dadurch zu vermeiden, dass er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, findet ein Leistungsaustausch statt. Dem Abgemahnten wird ein konkreter Vorteil eingeräumt, mit dem für den Abmahnenden unmittelbar ein Zahlungsanspruch verbunden ist. Der damit zugewendete Vorteil liegt unter anderem in der Vermeidung eines Prozesses.
- Sobald die Abmahnung beim Abgemahnten zugeht, ist die Abmahnleistung erbracht. Aus Vereinfachungsgründen wird nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für den Voranmeldungszeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde. Wird durch den Abgemahnten die Rechtsverletzung zu Recht bestreitet, hat der Abmahnende im Zeitpunkt des Bestreitens die Besteuerung zu korrigieren.
- Die Bemessungsgrundlage ist der Aufwendungsersatz. Dieser bemisst sich im Bereich des Urheberrechts nach dem „Gegenwert des Unterlassungsanspruchs“. Zur Bemessungsgrundlage zählt auch der Ersatz von Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechteverletzers. Schadensersatz zählt hingegen nicht zum Entgelt. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche sollen in Schadensersatz und Aufwendungsersatz aufgeschlüsselt werden. Sofern keine Aufschlüsselung erfolgt, wird der Betrag insgesamt als Aufwendungsersatz und damit als Entgelt behandelt.
- Anzuwendender Steuersatz ist der Regelsteuersatz von 19 Prozent.
- Im Fall einer unberechtigten Abmahnung schuldet der Abmahnende die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach den Regeln des unberechtigten Steuerausweises (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG).
Nichtbeanstandungsregelung
Solche Abmahnungen, die vor dem 01.11.2021 durchgeführt wurden und für welche der Abgemahnte keinen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, dürfen als nicht steuerpflichtiges Entgelt behandelt werden, wenn die Beteiligten bei der Zahlung übereinstimmend von einem nicht umsatzsteuerbaren Vorgang ausgehen. In Bezug auf den Abgemahnten heißt das, dass er keinen Vorsteuerabzug vorgenommen hat.
Nur Abmahnungen nach UrhG und UWG?
Eine Durchforstung des neuen BMF-Schreibens zeigt, dass die Verwaltung ihre Aussagen explizit nur auf Abmahnungen nach dem UWG und dem UrhG bezieht, so dass unklar bleibt, ob auch andere Bereiche der Abmahnung umsatzsteuerpflichtig sind. Zu denken ist hier v.a. an das Markenrecht.
Ordnungsgemäße Rechnung als Dreh- und Angelpunkt
Da die recht kurze Nichtbeanstandungsregelung, die das BMF gewährt hat, bereits abgelaufen ist, sind Abmahnungen nunmehr in ordnungsgemäßer Weise zu versteuern. Hierbei dürfte für Zwecke der Umsatzsteuer das Erstellen einer ordnungsgemäßen Rechnung den Dreh- und Angelpunkt darstellen. Es empfiehlt sich, den Aufwendungsersatz einerseits und den Schadenersatz andererseits klar voneinander zu trennen. Dem Rechteverletzer, welcher abgemahnt wird, steht ein Vorsteuerabzug zu, soweit er eine ordnungsgemäße Rechnung seitens des Abmahnenden erhält.
Von Wichtigkeit sollte sein darauf zu achten, den „Richtigen“ abzumahnen. Denn: Wird in einem entsprechenden Schreiben Umsatzsteuer ausgewiesen und stellt sich heraus, dass der Abgemahnte nicht der tatsächliche Rechteverletzer ist, so droht die Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG. Abmahnungen werden damit in vielerlei Hinsicht komplexer.