Neue Haftungsvorgaben für Marktplatzbetreiber zum 01.07.2021: Das BMF-Schreiben vom 20.04.2021 (Teil I)

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurden die Vorgaben des Mehrwertsteuer-Digitalpakets in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Gesetz wurden u.a. mit Wirkung zum 01.07.2021 Anpassungen an den §§ 22e, 25f UStG vorgenommen. Die Verwaltung hat dazu in einem Schreiben (BMF v. 20.04.2021) Stellung bezogen. Was gilt ab Jahresmitte für die Betreiber von Online-Marktplätzen?

Hintergrund

Es sind umfangreiche Neuerungen, die bereits zum 01.01.2019 auf die Online-Marktplatzbetreiber zugekommen sind. Da den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wohl mehrere hundert Millionen Euro an Steuereinnahmen dadurch verloren gingen, dass Anbieter über Online-Marktplätze ihre Waren in der EU verkauften, die entsprechende Umsatzsteuer aber nicht abführten, wurden zum 01.01.2019  zwei neue Paragraphen in das Umsatzsteuergesetz eingefügt: Zum einen der § 22f UStG, welcher die Aufzeichnungspflichten für Online-Marktplätze zum Gegenstand hat. Und zum anderen der § 25e UStG, welcher die Haftung des Online-Marktplatzes thematisiert. Betreiber von elektronischen Marktplätzen sind so seit dem 01.01.2019 zum Beispiel verpflichtet, Angaben von Nutzern, deren Umsätze in Deutschland steuerpflichtig sind, aufzuzeichnen und diese auf Anforderung dem Finanzamt zur Verfügung zu stellen (§ 22f UStG).

Neben dem vollständigen Namen und der vollständigen Anschrift, muss der Betreiber auch die Steuernummer und soweit vorhanden die UStID Nr. des liefernden Unternehmers aufzeichnen. Ferner muss der Unternehmer, der Waren auf einer elektronischen Plattform veräußern möchte, gegenüber dem Betreiber nachweisen, dass er steuerlich registriert ist. Das konnte bisher durch eine vom zuständigen Finanzamt für längstens drei Jahre lang erteilte Bescheinigung (§ 22f Abs. 1 UStG) über die steuerliche Registrierung des Unternehmers (Vordruck USt 1 Tl) erfolgen, die ebenfalls vom Betreiber des Marktplatzes gespeichert werden war.

Neuformulierung der Vorgaben durch das Jahressteuergesetz 2020

Neben den neuen Vorgaben zum sog. fingierten Reihengeschäft, in welches ein Online-Marktplatzbetreiber ggf. einbezogen werden kann (§ 3 Abs. 3a UStG) wurden die Vorschriften zu den Aufzeichnungspflichten und den Haftungsfragen für Online-Marktplatzbetreiber mit dem Jahressteuergesetz 2021 reformiert. So kann der Betreiber der elektronischen Schnittstelle im Rahmen von § 25e UStG einer Haftung gemäß § 25e Abs. 2 UStG zukünftig entgehen, wenn er über eine gültige inländische UStIDNr. des liefernden Unternehmers verfügt. Ein Vorhalten von einer Bescheinigung des Finanzamts über die umsatzsteuerliche Erfassung entfällt somit. Ebenso wurden die Aufzeichnungspflichten des Betreibers erweitert (§ 22f UStG). So haben Schnittstellenbetreiber nach § 22f Abs. 3 UStG etwa im Falle einer Leistungskommission auch diejenigen Aufzeichnungspflichten zu beachten, die aus Art. 54c DVO hervorgehen.

Es gilt eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren. Gleichzeitig sind die Aufzeichnungen auf Anforderung des Finanzamts elektronisch zu übermitteln.

Finanzverwaltung nimmt Stellung

In ihrem Schreiben v. 20.04.2021 nimmt die Finanzverwaltung Stellung zu den neuen Haftungsvorgaben und Aufzeichnungspflichten und ändert den Umsatzsteuer-Anwendungserlass. Im Einzelnen werden Aussagen getroffen…

  • …zu den Aufzeichnungspflichten für die Betreiber des Marktplatzes:

Neben den bisher aufzuzeichnenden Daten muss nach den neuen Regelungen insbesondere (I) die elektronische Adresse oder Website des liefernden Unternehmers, (II) die Bankverbindung oder die Nummer des virtuellen Kontos des Lieferers (soweit diese bekannt ist) sowie (III) eine Beschreibung des gelieferten Gegenstands und die Bestellnummer oder die eindeutige Transaktionsnummer (soweit diese bekannt ist) dokumentiert sein. Der bisherige Nachweis der umsatzsteuerrechtlichen Erfassung des leistenden Unternehmers durch die Erfassungsbescheinigung entfällt. Ihn ersetzt jetzt der Nachweis über die gültige, dem leistenden Unternehmer vom BZSt erteilte UStIDNr. (§ 22f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Im Rahmen einer Nichtbeanstandungsregelung wird es von der Finanzverwaltung bis zum 15.8.2021 nicht beanstandet, wenn der Nachweis noch mit der alten Erfassungsbescheinigung (USt 1 TI) geführt wird.

  • …zum qualifizierten Bestätigungsverfahren:

Gem. 18e Nr. 3 UStG haben Marktplatzbetreiber die Möglichkeit, die ihnen vom Onlinehändler mitgeteilte deutsche UStIDNr. sowie Namen und Anschrift qualifiziert vom BZSt bestätigen zu lassen (sog. qualifizierte Bestätigungsanfrage). Die Details dazu führt das BMF in Abschn. 18e.3 UStAE an. Voraussetzung für diese Anfrage ist, dass der Marktplatzbetreiber im Inland steuerlich erfasst ist und über eine deutsche UStIDNr. verfügt.

  • …zu den Haftungsregeln für die Betreiber des Marktplatzes:

Die Abschnitte 25e.1 bis 25e.4 UStAE fassen die neuen Haftungsregeln, welche seit dem 01.07.2021 zu beachten sind, zusammen. Zunächst stellt die Finanzverwaltung die verschiedenen Fallgestaltungen vor, welche zu einer Haftung durch Unterstützung durch den Betreiber einer elektronischen Schnittstelle führen können. Sie weist gleichzeitig darauf hin, dass Vermittlungsmarktplätze bzw. Plattformen, die die Funktion eines „Schwarzen Brettes“ haben und über die sich Nutzer über bestehende Angebote Dritter informieren und Kontakt zu einem möglichen Vertragspartner aufnehmen können sowie Plattformen/Portale, die ausschließlich der Abwicklung von Zahlungen dienen, keine elektronischen Schnittstellen im Sinne der Vorschriften sind und eine Haftung hier außer Frage steht. Darüber hinaus wird mitgeteilt, dass trotz des Einhaltens der Aufzeichnungspflichten ein Marktplatzbetreiber auch dann haftet, wenn er Kenntnis davon hatte oder mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte wissen müssen, dass der Onlinehändler seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht oder nicht im vollen Umfang nachkommt. Unabhängig davon haftet der Marktplatz auch immer dann, wenn der Onlinehändler im Zeitpunkt der Lieferung nicht über eine vom BZSt erteilte, gültige UStIDNr. verfügt oder der Marktplatzbetreiber in den oben beschriebenen Ausnahmefällen über keinen Alternativnachweis verfügt.

Stellt der Marktplatzbetreiber fest, dass es zu Pflichtverletzungen im Hinblick auf die Umsatzsteuer seitens des Online-Händlers kommt, so muss er den Online-Händler mit Fristsetzung von längstens 2 Monaten dazu aufzufordern, die Verstöße abzustellen.

Die sich aus den Neuerungen ergebenden Folgen für die Praxis werden ausführlich im Teil II dargestellt.

Ausführliche Informationen finden Sie ebenso in meinem aktuellen Beitrag in der Umsatzsteuer direkt digital (für Abonnenten kostenfrei).


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