Die Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand bei der Renovierung älterer Gebäude führt oftmals zu Streit mit dem Finanzamt. Nachfolgend sollen kurz die Grundsätze, vor allem aber ein aktuelles Urteil des Niedersächsischen FG vorgestellt werden. Zunächst die Grundsätze:
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten).
Wenn sich die Immobilie schon seit mehreren Jahren im Besitz des Steuerpflichtigen befindet und keine anschaffungsnahe Herstellungskosten vorliegen, kommt es für die Einordnung als Herstellungsaufwand darauf an, ob die Renovierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Zustand der Immobilie geführt haben (Standardhebung). Eine wesentliche Verbesserung liegt vor, wenn der Gebrauchswert des Gebäudes durch die Baumaßnahmen deutlich erhöht wird. Maßgebend ist, dass mindestens drei der vier Ausstattungs-Kernbereiche einer Immobilie, nämlich Elektro-, Heizungs-, Sanitärinstallation und Fenster, in ihrer Funktion deutlich erweitert und ergänzt werden. Auch eine Substanzmehrung führt zu Herstellungskosten. Ohne Standardhebung oder Substanzmehrung sind die Kosten grundsätzlich als Erhaltungsaufwand zu beurteilen, selbst wenn diese in ungewöhnlicher Höhe zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum anfallen (BMF-Schreiben vom 18.7.2003, BStBl 2003 I S. 386).
Nun kommt es! Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass Herstellungsaufwand auch dann vorliegen kann, wenn die von der Baumaßnahme betroffene Fläche eine bessere oder eine völlig neue Nutzungsmöglichkeit schafft. Auf eine Standardhebung kommt es dann nicht an (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.3.2023, 15 K 17/21, Revision zugelassen).
Der – stark vereinfacht dargestellte – Sachverhalt:
Ein Geschäftshaus (Baujahr 1974) hat mehrere Geschosse. Das Erdgeschoss wurde in 2014 umfassend renoviert. An die Stelle einer Nutzung als Verkaufsfläche für einen Lebensmittelmarkt trat eine Nutzung als Ladenfläche für eine Apotheke sowie eine Bäckerei mit angeschlossenem Café-Betrieb. Die Größe der Nutzfläche blieb unverändert. Die Klägerin, eine GbR, war der Auffassung, dass lediglich Erhaltungsaufwand vorlag, da es durch die Baumaßnahmen nicht zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung gekommen sei. Die Eigenschaft des Erdgeschosses als Einzelhandelsfläche sei durch den Umbau nicht berührt worden. Der Umbau habe lediglich zur Aufteilung der vormaligen einheitlichen Einzelhandelsfläche in zwei separat vermietbare Einzelhandelsflächen geführt. Eine Wesensänderung des Gebäudes sei nicht eingetreten. Die Aufwendungen für die Gewerke Elektro, Heizung, Sanitär und Fenster hätten hauptsächlich darin bestanden, die vorhandenen Anlagen in zeitgemäßer Form zu ersetzen. Doch das Finanzamt und auch das Finanzgericht beurteilten die Sache anders: Es lägen Herstellungskosten vor, die lediglich im Wege der AfA abzuziehen seien.
Die Begründung – ebenfalls stark vereinfacht:
Aufgrund der Gesamtheit der durchgeführten Gewerke liegen Herstellungskosten vor, weil das Erdgeschoss umfassend renoviert und – vor allem – für eine andere Art von gewerblicher Nutzung erschlossen wurde. Mag es auch zutreffen, dass sämtliche Teile in ihrer ursprünglichen Funktion bereits im Erdgeschoss vorhanden waren, so wurden diese durch den Umbau neu zueinander in Beziehung gesetzt. Damit ist die Schwelle zu einer mit der Substanzmehrung einhergehenden erweiterten bzw. geänderten Nutzungsmöglichkeit überschritten. Eine wesentliche Verbesserung liegt zwar nicht durch eine Standardhebung in drei der vier für Wohngebäude entwickelten Kernbereichen der Ausstattung vor, jedoch durch die Schaffung einer bislang nicht vorhandenen Nutzungsmöglichkeit für eine andere Art der gewerblichen Nutzung. Im Übrigen ist es ausreichend, wenn – wie hier – lediglich die Erdgeschossfläche infolge der Baumaßnahme in seinen Nutzungsmöglichkeiten erweitert wird.
Denkanstoß:
Das aktuelle Urteil ist zwar nicht leicht zu durchdringen, da allein schon die Sachverhaltsdarstellung im Volltext sehr umfassend ist. Dennoch lohnt sich das Studium, da fast schon lehrbuchmäßig die diversen Abgrenzungsfragen zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand behandelt werden. Vor allem aber sollte es zur Hand genommen werden, wenn es um einen ähnlichen Fall geht, also tatsächlich eine Nutzungsänderung mit der Renovierung verbunden ist.