Das ist eine gute Nachricht für Arbeitnehmer zum Jahresauftakt: Stirbt ein Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses, haben seine Erben Anspruch auf finanzielle Abgeltung des noch nicht genommenen Urlaubs. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG v. 22.1.2019 – 9 AZR 45/16) jetzt entschieden. Das BAG setzt damit die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom November 2018 um.
Hintergrund
Ich hatte berichtet: Der EuGH hat Ende letzten Jahres mit zwei Entscheidungen die Arbeitnehmerrechte bei Erholungsurlaub deutlich erweitert. Ein Arbeitnehmer darf danach seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahres-(Mindest)Urlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat (EuGH C-619/16 und C-684/16). Klarheit hatte der EuGH auch in Bezug auf die Vererblichkeit von Ansprüchen bei Urlaub geschaffen, den der Arbeitnehmer wegen Tod nicht mehr abnehmen konnte (EuGH v. 06.11.18 C-569/16 und C-570/16).
BAG rückt von bisheriger Linie ab
Bislang urteilte das BAG, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit dessen Tod untergeht, ohne dass gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ein Abgeltungsanspruch entsteht (BAG v. 12.03.2013 – 9 AZR 532/11; BAG v. 20.09.2011 – 9 AZR 416/10). Nur wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ableben des Arbeitnehmers endet, konnte nach bisheriger Ansicht des BAG ein Abgeltungsanspruch für nicht mehr gewährten Urlaub entstehen und Teil der Erbmasse werden (BAG v. 22.09.2015 – 9 AZR 170/14). Jetzt hat sich das BAG nach Vorlage an den EuGH diesem angeschlossen und seine bisherige Rechtsprechung unter Berücksichtigung einer richtlinienkonformen Auslegung des Unionsrechts weiterentwickelt.
Praxisfolgen
Jetzt steht nach Ansicht des BAG fest: Beim Tod eines Arbeitnehmers haben die Erben einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht genommener Urlaubstage, und zwar auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis beim Tod noch nicht beendet war. Und mehr noch: Das BAG hat jetzt klargestellt, dass nicht nur der gesetzliche Erholungsurlaub von 24 Werktagen (§§ 1, 3 Abs.1 BUrlG)Teil der Erbmasse wird, sondern auch der Anspruch auf Zusatzurlaub für Schwerbehinderte (§ 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX a.F.) oder ein weitergehender einzelvertraglicher oder tariflicher Urlaubsanspruch (z.B. § 26 TVöD), der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Den Abgeltungsanspruch müssen die Erben beim Arbeitgeber aber geltend machen. Arbeitgeber wiederum sind gut beraten, bei „vererbten Abgeltungsansprüchen“ entsprechende Rückstellungen zu bilden.
Weitere Informationen:
- BAG v. 22.01.2019 – 9 AZR 45/16 (Pressemitteilung Nr. 1/19 Bundesarbeitsgericht)
- EuGH v. 06.11.2018 – C-569/16 und C-570/16
- EuGH v. 06.11.2018 – C-619/16 und C-684/16 (www.curia.europa.eu)
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
„Das ist eine gute Nachricht für Arbeitnehmer zum Jahresauftakt“, leiten Sie Ihren Beitrag ein. Dem kann ich nicht zustimmen. Einem verstorbenen Arbeitnehmer ist es völlig egal, ob er seinen Urlaubsanspruch vererbt oder nicht.
Lieber Leser,
Danke für Ihr Feedback! Das kann man so sehen. Aber es gibt sicher auch viele Erblasser, denen wichtig ist, dass die Erben bestmöglich versorgt werden. Insofern hat das Urteil auch etwas Positives.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. jur. Ralf Jahn