Eine Tangolehrerin kann als Privatlehrerin umsatzsteuerfreie Umsätze erbringen. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG liegen zwar regelmäßig nicht vor. Allerdings kann sie sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL und dessen unmittelbare Anwendung berufen. Dem Merkmal „Privatlehrer” steht es nicht entgegen, wenn die Unterrichtseinheiten mehreren Tanzschülern gleichzeitig erteilt werden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.11.2017, 5 K 5108/15, Rev. unter V R 66/17).
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Umsätze aus ihren Tätigkeiten als Dolmetscherin, im Filmgeschäft und als Tangolehrerin. Den Tangounterricht erteilte die Klägerin einerseits an der Volkshochschule und andererseits als Privatlehrerin. In ihrer Steuererklärung behandelte sie die Umsätze, die sie für die VHS ausgeführt hatte, als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Umsätze aus der Tätigkeit als Tanzlehrerin nicht steuerfrei seien. Steuerfrei nach § 4 Nr. 21 UStG seien unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung. Das Erlernen des Tangos diene hingegen der Freizeitgestaltung und die Umsätze der Klägerin aus den VHS-Kursen seien folglich mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent zu besteuern.
Dem widersprachen die FG-Richter. Die Klägerin habe Schulunterricht erbracht. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL sei dahingehend auszulegen, dass es sich bei Schul- und Hochschulunterricht um Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende handeln muss. Der Begriff beziehe sich auf jede Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Durch diese Beschränkung werde dem Prinzip der engen Auslegung von Steuerbefreiungen hinreichend Rechnung getragen. Auf die Ziele der die Einrichtung besuchenden Personen komme es für die Steuerbefreiung nicht an. Entscheidend seien vielmehr die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht.
Der an der VHS und ansonsten in eigener Verantwortung durchgeführte Tangounterricht verfolge nicht nur bloße Freizeitzwecke. Dies folge zum einen daraus, dass Tanzen allgemein in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen in den Unterrichtsfächern Darstellendes Spiel, Musik und Sport fest verankert ist und der Tangotanz im Besonderen fester Bestandteil des Hochschulsports ist. Gegen die Annahme einer bloßen Freizeitgestaltung für die Teilnehmer spreche ferner, dass das Kursangebot der Klägerin aufeinander aufbaut und diesen die Möglichkeit bietet, ihre Fertigkeiten kontinuierlich zu vervollkommnen. Schließlich handele es sich insbesondere bei dem von der Klägerin unterrichteten Tango Argentino um eine besonders anspruchsvolle Form des Tanzes, die nicht zum gängigen Repertoire bloßen Freizeitvergnügens zählt, wie dies etwa beim Seniorentanz der Fall ist.
Hinweis:
Wieder einmal hat ein Finanzgericht die Steuerbefreiung für einen Privatlehrer gewährt. In ähnlichen Fällen sollte daher – unter die Berufung auf das EU-Recht – ebenfalls die Steuerfreiheit beantragt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass diese auch tatsächlich gewollt ist, zumal mit ihr der Verlust des Vorsteuerabzugs einhergeht. Die Frage, ob sich auch Privatlehrer, die ihr Unternehmen im Rahmen einer GmbH betreiben, auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen können, liegt aktuell dem EuGH (C-449/17) zur Entscheidung vor. Daher ruhen vergleichbare Fälle kraft Gesetz nach § 363 Abs. 2 Satz 2 HS 1 AO. Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung wird – soweit erkennbar – entsprochen.
Weitere Informationen:
- FG Berlin-Brandenburg v. 08.11.2017 – 5 K 5108/15
- Verfahrensverlauf | BFH – V R 66/17 – anhängig seit 20.02.2018
- Verfahrensverlauf | EuGH – C-449/17 – anhängig seit 25.08.2017