In der Praxis ist immer wieder der Fall zu beobachten, dass ein Mitarbeiter mit einem sozialversicherungspflichtigen Hauptjob von seinem Arbeitgeber gefragt wird, ob er sich etwas hinzuverdienen möchte, in dem er auch in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers nebenberuflich tätig wird. Der Zweitjob soll dann als Minijob „abgerechnet“ werden, also als geringfügige Beschäftigung gelten und lediglich mit Pauschalabgaben belastet werden.
Im Jahre 2003 gab es dazu folgendes Urteil des FG Münster: Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers innerhalb zweier verschiedener Betriebe desselben Inhabers sind nicht als einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen (FG Münster, Urteil vom 21.2.2003, 11 K 1158/01 L, EFG 2003 S. 864). Soweit ersichtlich haben die Sozialversicherungsprüfer die Sache allerdings strenger gesehen und ganz überwiegend – wenn nicht gar immer – die Auffassung vertreten, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
Insofern stand die Münsteraner Entscheidung auf etwas tönernen Füßen. In einem aktuellen Urteil distanziert sich auch das FG Berlin-Brandenburg von dem Urteil der Kollegen aus Westfalen. Der Tenor des Urteils lautet eindeutig: Es ist nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung auch eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten. Vielmehr muss eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.12.2022, 6 K 6129/20).
Der Sachverhalt:
Der Kläger arbeitete im Innendienst eines Taxiunternehmens, das Herrn X gehörte. Sein Arbeitslohn unterlag der Sozialversicherung und wurde individuell lohnbesteuert. Einige Jahre nach Aufnahme des ersten Arbeitsverhältnisses schloss er einen weiteren Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber war wiederum Herr X, allerdings wurde der Kläger in einem anderen Betrieb eingesetzt. Für die zweite Beschäftigung bezog er eine monatliche Bruttovergütung innerhalb der Minijob-Grenze. Das Beschäftigungsverhältnis aufgrund des zweiten Arbeitsvertrages wurde in den Streitjahren durchgehend als Minijob mit 2 Prozent pauschaler Lohnsteuer abgerechnet.
Nach Ansicht des Finanzamts und nun auch des FG lag hingehen keine geringfügige Beschäftigung vor; denn bei den beiden Tätigkeiten handelte es sich um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so dass die Voraussetzungen der Pauschalbesteuerung nicht vorlagen. Das FG stützt sich weitestgehend auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und führt aus: Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung beurteilen sich wegen des in § 40a Abs. 2 EStG genannten Verweises ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben, vorliegend nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV.
Denkanstoß:
Das Urteil des FG Berlin-Brandenburg liegt auf einer Linie mit einer Entscheidung des Niedersächsischen FG. Dieses hatte im Jahre 2017 entschieden, dass in der Regel ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis gegeben ist, wenn die beschäftigte Person eine geringfügige und eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ausübt (Urteil vom 29.6.2017, 14 K 241/16).
Davon zu unterscheiden sind aber die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer Arbeitsverträge mit rechtlich verschiedenen Personen oder Institutionen abschließt, also beispielsweise mit zwei verschiedenen GmbHs, selbst wenn hinter den GmbHs der gleiche Mehrheits-Gesellschafter „steht“. Hier gilt: Wenn es sich um zwei Beschäftigungen bei rechtlich verschiedenen Arbeitgebern handelt, ist eine getrennte versicherungsrechtliche Beurteilung vorzunehmen. Konzernunternehmen im Sinne des § 18 Aktiengesetz (AktG) gelten in diesem Zusammenhang nicht als ein Arbeitgeber. Interessierte sollten insoweit die Geringfügigkeits-Richtlinien vom 16.8.2022 (Tz. 2.1.1. sowie Beispiele 1a bis 1g) beachten.