Am 1.12.2021 hat der BGH (XII ZR 8/21) über die Rechtsfrage verhandelt, ob ein Gewerbemieter seine Miete pauschal um die Hälfte kürzen kann, wenn das das Geschäft wegen einer behördlichen Anordnung schließen muss.
Was müssen Gewerbemieter und Gewerbevermieter jetzt beachten?
Hintergrund
Was geschieht, wenn der Staat in Zeiten der Corona-Pandemie eingreift und behördliche Schließungsanordnungen von Geschäftslokalen verfügt, wer trägt dann das wirtschaftliche Ausfallrisiko? Kann die Miete gekürzt oder der Vertrag gar gekündigt werden? Die Zivilgerichte haben bislang unterschiedlich geurteilt, darüber habe ich hier im Blog berichtet. Der Gesetzgeber hat Ende 2020 (BGBl 2020 S. 3328, 3332) reagiert:
Durch Änderung des Art. 240 EGBGB, § 7 wird jetzt bei § 313 BGB (widerleglich) vermutet, dass sich mit den Auswirkungen der behördlichen Pandemiemaßnahmen ein Umstand wesentlich geändert hat, der zur Grundlage des gewerblichen Mietverhältnisses geworden ist. Das kann zu einer Anpassung des Mietvertrages führen.
Aber mit welchem Inhalt?
Wohin tendiert der BGH?
Im Verfahren XII ZR 8/21 wird der BGH zwar erst am 12.1.2022 seine Entscheidung verkünden; der Senat hat aber in der mündlichen Verhandlung am 1.12.2021 schon angedeutet, wie seine Entscheidung wohl ausfallen wird: Gewerbemieter können eine Anpassung des Mietvertrags verlangen, wenn sie wegen staatlicher Corona-Maßnahmen schließen müssen oder nur mit starken Einschränkungen das Geschäft betreiben dürfen. Die rechtliche Basis hierfür bietet § 313 Abs. 1 BGB.
Das bedeutet aber nicht, dass Gewerbemieter automatisch einen Anspruch darauf hätten, dass ihnen ein Teil der Miete vom Vermieter erlassen wird, da schließlich auch Gewerbevermieter von den Auswirkungen der Pandemie nachteilig betroffen sein können. Eine Mietreduzierung ist aus BGH-Sicht nur eine von mehreren möglichen Rechtsfolgen, denkbar sei etwa auch eine Stundung der Miete. Die vom OLG Dresden, der Vorinstanz, als Reaktion auf eine unvorhersehbare „Systemkrise“ vorgenommene 50/50-Lösung mit einer hälftigen Kürzung der Miete sei zu pauschal. Alle Einzelfallumstände müssen geprüft werden.
Welche Auswirkungen hat das für gewerbliche Mietverhältnisse?
Bei der Prüfung, ob ein Festhalten des Mieters am Vertrag „unzumutbar“ ist, sind immer die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hierbei können etwa die Beschäftigtensituation und der Umfang von Kurzarbeit, die Möglichkeit zu anderweitigen Geschäftsmodellen wie z.B. Online-Handel, der Umfang der Inanspruchnahme von staatlichen Corona-Finanzhilfen, Betriebsausfallversicherungen oder auch anderweitige Zahlungsverpflichtungen zu berücksichtigen sein. Will der Mieter seine Miete kürzen oder wenigstens Stundung erreichen, ist er darlegungs- und beweispflichtig, aus welchen konkreten Gründen für ihn Festhalten am ursprünglichen Vertrag „unzumutbar“ ist.
Wichtig sind für Gewerbe(ver)mieter hierbei auch weitere wichtige BGH-Verfahren (BGH IV ZR 105/21 und BGH IV ZR 172/21), die demnächst zur Verhandlung anstehen: Dort geht es um die Frage, ob der COVID-19-Virus bedingte Lockdown ein versichertes Risiko im Rahmen von Betriebsausfallversicherungen ist. Wenn ja, wäre das ein Hinweis auf fehlende Unzumutbarkeit für den Mieter – jedenfalls dann, wenn er eine Betriebsausfallversicherung abgeschlossen hat.
Wir bleiben dran!
Quellen
Pressemitteilung BGH zu AZ: XII ZR 8/21