Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz ist seit jeher ein Einfallstor für Lobbyisten. Allzu präsent ist noch immer die Subventionierung für Hoteliers, obwohl die Steuerreform schon Jahre zurückliegt. Nun soll die Besteuerung von Lebensmitteln umgekrempelt werden. Muss das sein?
Bisher konnte man bei Nahrungsmitteln noch verhältnismäßig gut den steuerlichen Überblick behalten. Denn grundsätzlich greift der ermäßigte Satz von 7 %. Als Ausnahme werden Getränke mit dem Regelsatz von 19 % belegt; Rückausnahme: für Milch und Leitungswasser greifen die 7 %. Ganz so einfach ist die Abgrenzung im Einzelfall dann also schon wieder nicht; man denke nur an Smoothies oder Latte Macchiato.
Ob die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes gegenüber einem verringerten Einheitssatz überhaupt Vorteile hat, ist in der Fachwelt heftig umstritten. Immerhin bestand zuletzt wohl insoweit Einigkeit, als die Ermäßigung für Lebensmittel durchaus zweckmäßig ist. Denn diese entlastet hauptsächlich Geringverdiener. Wie sinnvoll daher überhaupt eine höhere Mehrwertsteuer auf (bestimmte) Lebensmittel sein kann, bleibt offen.
Rechtlich möglich wäre eine Differenzierung durchaus. Das Europarecht sieht bei Lebensmitteln nur eine optionale Steuerermäßigung vor. Immerhin ein Drittel der EU-Mitgliedsstaaten verzichtet derzeit auf eine solche Option und wendet keinen (stark) ermäßigten Steuersatz an.
Das ruft nun die Lobbyisten auf den Plan. Angestoßen hatte die aktuelle Diskussion das Umweltbundesamt. Unter dem Aspekt des Klimaschutzes wurde die Anwendung des Regelsatzes für Fleisch als Lebensmittel vorgeschlagen. Dagegen formierte sich schnell breiter Widerstand. Wenig begeistert zeigten sich etwa – Überraschung – Fleischer-Verband, Bauern-Verband und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Anderen ging der Vorschlag nicht weit genug. Greenpeace etwa ist schon lange für eine höhere Mehrwertsteuer beim Fleisch. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren fordert derweil, nur noch Bio-Produkte ermäßigt zu besteuern; der Bund für vegane Lebensweise will gleich alle tierischen Lebensmitteln mit dem Regelsatz besteuern.
Inwieweit all‘ diese Vorschläge sinnvoll sind, sei mal dahingestellt. Einer Lobbydiskussion braucht man ohnehin nicht mit Argumenten zu begegnen. Vielleicht macht stattdessen mal jemand Lobbyarbeit für die Gruppe der Steuerrechtler. Den irgendjemand muss den Schabernack des Gesetzgebers ja auch unterrichten und vor allem in der Praxis beraten. Das dürfte sich nicht unbedingt als völlig trivial gestalten, sollte der Gesetzgeber tatsächlich mal einen Vorschlang zur weiteren Differenzierung bei der Lebensmittelbesteuerung aufgreifen. Zweckmäßigerweise holt man vorher mal den Rat unserer polnischen Nachbarn ein. Dort hat sich bereits ein – sagen wir – interessantes System ausgeprägt. Unterschieden wird in unverarbeitete Lebensmittel (Steuersatz 5 %) und verarbeitete Lebensmittel (8 %). Klingt auf den ersten Blick gut: gesundes Obst wird stärker ermäßigt, als gepanschtes Fastfood. Allerdings lässt sich das System kaum konsequent durchziehen, weshalb auch „leicht verarbeitete“ Lebensmittel unter den günstigeren Steuersatz fallen. Das gilt dann beispielsweise für Butter. Demgegenüber fällt etwa für Brot der höhere Satz an. Und für tropische Früchte wie Bananen. Verrückt? Das lasse ich mal offen…
„Inwieweit all‘ diese Vorschläge sinnvoll sind, sei mal dahingestellt. “
Wäre das nicht der wichtigste und entscheidene Punkt über den man diskutieren sollte?
Absolut. Zwischen den Zeilen kann man meine persönliche Auffassung zu dem Thema schemenhaft durchs Fernglas erahnen. Heutzutage muss man ja sehr vorsichtig mit seinen öffentlichen Äußerungen umgehen…