Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Rechtsposition von Teilzeitbeschäftigten gestärkt. Danach haben Teilzeitkräfte bei Überstunden künftig deutlich öfter Anspruch auf einen Mehrarbeitszuschlag. Dieser wird nicht erst dann fällig, wenn der betroffene Arbeitnehmer mehr arbeitet als seine in Vollzeit beschäftigten Kollegen. Vielmehr ist der Zuschlag bereits dann zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer mehr arbeitet als individuell vereinbart. Das schreibt das BAG in seinem aktuellen Urteil vom 19.12.2018 (Az: 10 AZR 231/18).
Sachverhalt
In dem konkreten Fall ging es um die Klage einer stellvertretenden Filialleiterin, die bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Unternehmen der Systemgastronomie, in Teilzeit beschäftigt war. Mit ihr wurde eine Jahresarbeitszeit vereinbart, die unterhalb der Jahresarbeitszeit einer Vollzeitkraft lag. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Dieser sieht u.a. Zuschläge für Mehrarbeit vor. Die Beklagte hatte die von der Klägerin geleistete Arbeitszeit nur mit dem Grundgehalt vergütet. Soweit die Klägerin Mehrarbeit über ihre vereinbarte Jahresarbeitszeit hinaus geleistet hatte, erhielt sie dafür keinen Zuschlag. Die Beklagte begründete dies damit, die Arbeitszeit der Klägerin habe nicht die Jahresarbeitszeit einer Vollzeittätigkeit überschritten und sei damit keine Mehrarbeit i.S.d. Tarifvertrags. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Zahlung der tariflichen Mehrarbeitszuschläge.
Entscheidung des Gerichts
Das BAG gab der Klägerin Recht. Nach Auffassung des BAG ist der Mehrarbeitszuschlag für diejenige Arbeitszeit zu zahlen, die über die jeweils individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Soweit die Klägerin im jeweiligen Jahreszeitraum über ihre individuelle Jahresarbeitszeit hinaus gearbeitet habe, stünden ihr daher für diese Zeiten Mehrarbeitszuschläge zu. Dies ergebe die Auslegung des Tarifvertrags. Andernfalls – so das BAG – würden Teilzeitbeschäftigte unzulässig benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde. Diese Auslegung sei auch wegen § 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geboten, erklärte das BAG. Danach dürfen Teilzeitbeschäftigte wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Konsequenzen für die Praxis
Mit diesem Urteil hat das BAG der zuvor überwiegend in arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung und juristischer Literatur vertretenen Ansicht eine deutliche Absage erteilt. Danach wurde bislang immer vertreten, dass Teilzeitbeschäftigte nicht ungünstiger behandelt werden als Vollzeitkräfte, wenn ihre Überstunden nur mit dem Grundlohn bezahlt werden, falls Teilzeitquote plus Überstunden hinter der betriebsüblichen Vollzeit zurückbleibt. Denn, so die vorherige Mehrheitsmeinung: Leistet ein Teilzeitbeschäftigter mit einer etwa 20-stündigen Wochenarbeitszeit pro Woche eine Überstunde und erhält er hierfür Mehrarbeitszuschlag, wird er „gleich“ behandelt wie eine Vollzeitkraft, die für die 21. Wochenarbeitsstunde auch keinen Mehrarbeitszuschlag erhält, sondern nur den Grundlohn.
Dies gilt ab sofort nicht mehr. Das BAG hat klargestellt, das Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte nicht erst dann anfallen dürfen, wenn diese die Arbeitszeit eines Vollzeitmitarbeiters überschreiten. Eine derartige Regelung ist unwirksam.
Im konkreten Fall bestand zwischen den Parteien zwar eine Jahresarbeitszeitvereinbarung. Die Argumentation des BAG dürfte aber entsprechend auch für Teilzeitbeschäftigte gelten, deren Arbeitszeit auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis vereinbart wurde. Zudem dürfte die Entscheidung des BAG nicht nur für tarifliche, sondern gleichermaßen auch für betriebliche oder arbeitsvertragliche Ansprüche auf Mehrarbeitszuschläge zu beachten sein.
Fazit
Jedem Arbeitgeber, der Mehrarbeitszuschläge für Vollzeitbeschäftigte zahlt, kann daher nur empfohlen werden, die Praxis der Gewährung von Mehrarbeitszuschlägen an Teilzeitkräfte zu überprüfen und ggf. an die Vorgaben des BAG anzupassen.
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