Im letzten Blog hatte ich einen Überblick zum Vorschlag des IDW für einen Wertekodex gegeben. Auf den ersten Blick liest sich das alles ganz toll, wird doch vermeintlich nur Positives angestrebt. Mein heutiger sowie zwei folgende Blogs sollen dennoch in WP-Manier den Vorschlag insbesondere im Hinblick auf die nicht berufsrechtlich fixierten Anforderungen des Kodex kritisch hinterfragen. Dabei können die Gedanken angesichts der Komplexität und des zur Verfügung stehenden Raums nur ein erstes und exemplarisches Herantasten an die Problematik darstellen.
Was geht es das IDW überhaupt an?
Fangen wir einmal mit dem „Kompetenzbereich“ an. Das IDW ist ein Verein, der u.a. Interessen des Berufsstands vertreten will. Der Gesetzgeber verbietet so etwas nicht, hat aber die Berufsorganisation mit dem Kammersystem und der „Aufpasserin“ APAS anders aufgestellt. Es erscheint doch ziemlich vermessen, dass nun ein e.V. daherkommt und (ethische) Standards für alle Wirtschaftsprüfer setzen will. Unschädlich ist sicher die Aufzählung von Anforderungen aus Gesetzen und Berufssatzung. Darüber hinaus kann man eine Selbstbindung für Vereinsmitglieder schaffen oder eine gesetzliche Regelung bzw. eine Befassung der Kammer anregen. Dort endet jedoch der Kompetenzbereich des IDW.
Pflichtenkollision?
Wertewidersprüche sind beispielsweise im Bereich der Steuerberatung zu erwarten. Der Kodex verlangt hier den Einsatz des WP für das Gemeinwohl und Information, d.h. faktisch die Warnung des Mandanten vor Maßnahmen im steuerrechtlichen Grenzbereich. Das ist schon starker Tobak angesichts der Funktion des WP als Steuerberater. Hier besteht in der Gestaltungsberatung ja geradezu eine Pflicht, das maximale Ergebnis für den Mandanten herauszuholen, ohne dabei rechtliche Vorschriften zu verletzen. Andernfalls drohen dem Berater zumindest haftungsrechtliche Risiken. Damit ist ein Eindringen in den steuerrechtlichen Grenzbereich gerade bei „innovativen“ Ansätzen nahezu unvermeidlich. Bedeutet die Anforderung des Kodex nun, dass der WP den Beratungsmandanten von solchen Gestaltungen im Hinblick auf das Gemeinwohl, d.h. die Sicherung eines umfänglichen Steueraufkommens, abraten bzw. im Hinblick auf finanzielle und Reputationsrisiken vor den eigenen Vorschlägen warnen soll? Oder soll der WP nur dann mahnend tätig werden, wenn der Mandant selbst oder beraten durch Dritte auf „innovative“ Gedanken kommt?
Und wenn man die Kodexanforderung zur Probe ex post auf die Cum-ex-Problematik überträgt: Welcher WP hätte in welcher Funktion in den Jahren der Gestaltung wie agieren sollen? Sind jetzt alle WP, die sich auf vielleicht windige Gutachten aus namhafter Quelle verlassen haben, keine „ehrenwerten“ WP mehr? Gilt das auch für Abschlussprüfer, die jahrelang keine Rückstellungsbildung im Zusammenhang mit Cum-ex-Transaktionen durchgesetzt haben und hätten sie im Rahmen ihrer Redepflicht tätig werden müssen?
Das vom Kodex geforderte ethische Niveau wäre wohl nur zu erreichen, indem man WP von der Gestaltungsberatung ausschließt, weil die Grenze zum steuerrechtlichen Grenzbereich selbst wieder eine Grauzone darstellt. Wird die durch den Kodex verursachte Unsicherheit bewusst hingenommen?
Und sind nicht die Mitglieder des Hauptfachausschusses des IDW (heute Fachausschuss Unternehmensberichterstattung, FAB) und der Verein insgesamt strengstens zu verurteilen, weil die Finalisierung von ERS HFA 13 seit Jahrzehnten im Hinblick auf Steueroptimierungsgestaltungen von Mandanten vorsätzlich unterlassen wurde? Muss man sämtliche Mitglieder des FAB austauschen, weil sie sich damit vorsätzlich und nachhaltig gegen das Gemeinwohl gestellt haben könnten?
Eine weitere Frage ist etwa, wie es sich mit dem geforderten Eingestehen von Fehlern verhalten soll: Soll das Eingestehen nur vor sich selbst erfolgen oder soll die Deckung durch die Haftpflichtversicherung durch öffentliches Eingestehen riskiert werden?
Fragen über Fragen! Hinzu kommt auch noch die Frage, was überhaupt anzustrebende ethische Ziele, Grundsätze und Handlungsweisen sind. Dieser Frage werde ich den nächsten Blog widmen.
Treffend dargestellt. Noch schlimmer wird der Sachverhalt, wenn es um Aufgaben geht, die gesetzlich kaum normiert sind, bspw. die Interne Revision, wo sich das DIIR aufschwingt Zertifikate anzupreisen und zu verkaufen und sog. Prüfungsstandards erstellt. Was würden Controller oder Personaler von so einem Vorgehen halten …