Lehren aus Wirecard (Teil 3) – Reform der Wirtschaftsprüfung?

Die Schlagzeile der Financial Times vom 26. Juni 2020 hatte es in sich: “EY failed to check Wirecard bank statements for 3 years”. Bei aufgedeckten Bilanzskandalen kommt immer wieder die Kritik an den Abschlussprüfern auf. Wirecard wird in der Presse teilweise schon als „deutsches Enron“ bezeichnet.

EY hat die Abschlüsse von Wirecard bereits seit vielen Jahren geprüft. Bevor das Unternehmen EY als Prüfer engagiert hat, wurden die Gesellschaft mit einer Sonderprüfung beauftragt. Über die Historie der Abschlussprüfer bei Wirecard gibt es einige Geschichten. Dies möchte ich hier nicht weiter ausführen, sondern auf der bereits über Wirecard erschienene Buch hinweisen: „Wirecard Wirtschaftskrimi: Die Geschichte hinter dem Skandal“, das von einem Investoren-Kollektiv geschrieben wurde.

Ein paar Fakten…

Trotz einiger Reformen wie beispielsweise den besonders wichtigen Prüfungsinhalten im Bestätigungsvermerk und der Rotationspflicht, gibt es immer noch einige Punkte, über die diskutiert werden sollte:

  1. Die Abschlussprüfung wird teilweise mit den Erträgen aus der Beratung quersubventioniert. Als Nicht-Wirtschaftsprüferin frage ich mich, wie dies sein kann.
  2. Das zu prüfende Unternehmen beauftragt den Prüfer selbst, der den Jahresabschluss des Unternehmens prüft.
  3. Durch die Rotationspflicht besteht die Gefahr, bestehende Mandate an die Konkurrenz zu verlieren. Die Neuakquise von Mandaten ist zeit- und kostenaufwendig.
  4. Die Herausforderungen durch die Globalisierung und zunehmend komplexe Geschäftsmodelle steigen für die Abschlussprüfer immer weiter an.

Was jetzt zu tun ist – Vorschläge

Der Wirecard-Skandal hat gezeigt: Die Reformen der Vergangenheit waren wirkungslos. Ein Blick in den Geschäftsbericht 2018 von Wirecard zeigt: Die Forderungen im Acquiring-Bereich und die Untersuchungen in Singapur waren eine der besonders wichtigen Prüfungsinhalte bei der Abschlussprüfung.

Ich bin keine Wirtschaftsprüferin, daher stellt sich mir die Frage: Inwieweit stimmen die Erläuterungen im Bestätigungsvermerk mit den durchgeführten Prüfungshandlungen überein? Ich kann dies nicht beurteilen, aber dennoch muss ich zugeben: Über die Erteilung eines uneingeschränkten Testates hatte ich mich gewundert – insbesondere aufgrund der Beschreibungen in den besonders wichtigen Prüfungsinhalten.

Meines Erachtens sollten folgende Punkte diskutiert bzw. analysiert werden:

  1. Wie wird die bestehende Problematik bei Prüfungsgesellschaften in anderen Ländern gelöst? In Frankreich gibt es beispielsweise schon seit vielen Jahrzehnten das sog. Joint Audit. Wäre dies auch eine mögliche Lösung für Deutschland?
  2. Trotz der bestehenden Rotationspflichten lässt sich das Grundsatzproblem zwischen Prüfer und dem Unternehmen nicht vermeiden. An dieser Stelle sollte über die Verkürzung des Zeitraumes nachgedacht werden.
  3. Kann die Problematik des Preisdrucks durch die Einführung einer standardisierten Gebührenordnung für Wirtschaftsprüfer gelöst werden? Gibt es Länder, in denen dies bereits implementiert wurde? Wie sind die Erfahrungen damit?

Sicherlich wird der ein oder andere von Ihnen denken: Die Kritik kommt von einer Nicht-Wirtschaftsprüferin. Das stimmt. Ich kenne die Praxis der Herausforderungen bei der Wirtschaftsprüfung nicht. Da ich meine Brötchen jedoch als Selbständige verdiene, weiß ich: Am Ende des Monats muss ich meine Miete bezahlen können. Wenn ich also Leistungen erbringe, bei denen ich finanziell gesehen drauflegen muss, ist dies schwierig. Doch wenn man mit der Prüfung von Jahresabschlüssen kein Geld verdienen kann, muss sich meiner Meinung nach etwas am System ändern.

Weitere Informationen:

https://www.steuerbar-podcast.de/ (Bilanzskandale)

Financial-Times vom 26. Juni 2020
https://www.ft.com/content/a9deb987-df70-4a72-bd41-47ed8942e83b

Forderungen der Initiative „Neues Wirtschaftswunder“
https://neues-wirtschaftswunder.de/publikationen/wirecard

Meine Interviews in Radio, TV und Zeitung zum Bilanzskandal bei Wirecard finden Sie hier:
https://www.carolarinker.de/presse/

Meine aktuelle Studie zu den besonders wichtigen Prüfungsinhalten:

Key Audit Matters: Best Practice der besonders wichtigen Prüfungsinhalte? – Empirische Analyse der DAX-Konzerne, WP Praxis, Heft 7, Seite 203-209 (für Abonnenten kostenfrei)

Das erste Buch über Wirecard ist bereits erschienen: https://www.amazon.de/Wirecard-Wirtschaftskrimi-Geschichte-hinter-Skandal-ebook/dp/B08C4QFTDK/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&dchild=1&keywords=wirecard&qid=1594205110&sr=8-1

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