Lehren aus Wirecard (16) – Neue DAX-Regeln und Corona befeuern Bilanzkosmetik

Sie sind da: Die neuen DAX-Regeln. Diesen Sommer wurde deutlich, dass die e derzeitigen Regelungen für die Aufnahme in den DAX dringend reformiert werden müssen, denn diese führten zu folgendem fragwürdigem Vorgehen: Die Deutsche Lufthansa flog hochkant aus dem DAX, denn durch die Corona-Pandemie waren die Zahlen des DAX-Konzerns massiv eingebrochen.

Wirecard blieb im DAX, obwohl der Zahlungsdienstleister zu dem Zeitpunkt bereits Insolvenz angemeldet hatte. Ein insolventer DAX-Konzern, bei dem es massive Vorwürfe wegen Bilanzmanipulationen, Geldwäsche und zahlreicher weiterer Vergehen gab verbleibt vorübergehend im DAX? Der Schreck dieser Tatsache war deutlich größer, als der Aufstieg des Lieferservices Delivery Hero in den DAX.

Schön und gut? Leider nicht. Denn gerade durch die Pflicht zur Gewinnerzielung wird das Aufhübschen der Bilanzen befeuert. Die Corona-Pandemie sorgt für weitere Brandbeschleuniger. Warum ist das so schlimm? Ein Unternehmen sollte schließlich ein kostendeckendes Geschäftsmodell haben, oder nicht? Schauen wir uns dies der Reihe nach an.

Der künftige Aufstieg in den DAX

Künftig müssen Unternehmen für den Aufstieg in den DAX Gewinne erwirtschaften. So muss das EBITDA, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen in den letzten zwei Jahren positiv gewesen sein.

Delivery Hero muss allerdings nicht fürchten, im nächsten Jahr wieder aus dem DAX zu fallen. Obwohl der Essenslieferant seit 2011 noch nie Gewinne erwirtschaftet hat, soll die Gewinnpflicht nur für den Aufstieg in den DAX gelten.

Es droht ein Abstieg aus der ersten Börsenliga, sofern die Fristen für die Veröffentlichung der Berichte versäumt wird. Wirecard kamen in diesem Jahr die Turbulenzen durch die Corona-Pandemie entgegen, denn dadurch wurden die Fristen für die Veröffentlichung der Geschäftsberichte 2019 verlängert. Im Übrigen haben es auch alle 29 DAX-Konzerne pünktlich geschafft. Wirecard hatte als einziges Unternehmen die Veröffentlichung immer weiter verschoben. Anstelle der Veröffentlichung des testierten Berichtes am 18. Juni dieses Jahres platze die Bombe.

Wo liegt das Problem?

Die Bilanzfälschungen bei Wirecard sind sicherlich ein historischer Fall, den es in dem Ausmaß hoffentlich nicht so schnell wiedergeben wird, denn neben Bilanzmanipulationen gibt es noch zahlreiche andere Vergehen, die dem Konzern vorgeworfen werden. Doch eines ist sicher: Bilanzkosmetik wird von vielen Unternehmen genutzt, insbesondere in Krisenzeiten.

Bilanzkosmetik stellt das Unternehmen besser dar als dies der eigentlichen Lage entspricht. Dies ist legal und in einigen Fällen auch der „Einstieg“ zur Bilanzfälschung. Doch an dieser Stelle will ich bei der legalen Bilanzkosmetik bleiben und die Frage klären: Wo liegt das Problem?

Wir befinden uns derzeit in einer schlimmen Wirtschaftskrise, die es – wie auch den Bilanzskandal Wirecard – nur sehr selten gibt. Daher ist davon auszugehen, dass die Unternehmen für das bald endende Jahr ihre Bilanzen aufhübschen werden. Ganz legal. Warum tun sie das? Um ihre tatsächliche Lage etwas besser darzustellen. Wie dies beim Einsatz von Kosmetik ebenso ist.

Branchen-Diskriminierung aufgrund der Bilanzierungsregeln

Doch wo führt dies hin? Wenn die Bilanzen aufgehübscht werden, kann so der Weg in den DAX beschritten werden. Denn eines ist sicher: Die Bilanzierungsregeln werden dadurch wichtiger. Dazu ein konkretes Beispiel:

Man stelle sich ein Automobilhersteller vor, der neue Fahrzeuge entwickelt. , deren Kosten in der Bilanz erfasst werden. , was den Gewinn schont. Eines ist klar: Das neue Automodell wird kommen, dieFrage ist nur wann. Während der Finanzkrise wurden in der Automobilindustrie so die Bilanzen auf ganz legale Art und Weise aufgehübscht. Damals hatte ich dazu eine Studienarbeit geschrieben und war erstaunt, wie deutlich dieses Phänomen ersichtlich war.

Doch was ist bei einem Pharmakonzern oder einem Essenslieferanten? Schauen wir uns zuerst den Pharmakonzern an, denn hier gibt es einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zum Automobilkonzern. In der Pharmaindustrie wird auch geforscht und entwickelt. Doch im Gegensatz zur Automobilindustrie stellt sich hier nicht die Frage, wann das neue Medikament kommt, sondern ob es überhaupt kommen wird. Aufgrund dieser bestehenden Unsicherheiten werden die Kosten für die Entwicklung der neuen Medikamente nicht in der Bilanz erfasst. Sie mindern direkt den Gewinn. Der Unterschied? Für die Liquidität keine, aber für den Gewinn einen deutlichen. Im Vergleich zum Automobilhersteller.

Nun noch zum Essenslieferanten: Wie kann dieser für einen Gewinn „sorgen“? Ganz einfach: Marketingkosten vorübergehend reduzieren. Marketingkosten mindern auch direkt den Gewinn. Reduziere ich diese über zwei Jahre in dem Maße, dass ich Gewinn erziele, dann habe ich die DAX-Vorschriften erreicht.

Es zeigt sich: Nicht nur durch die Corona-Pandemie, sondern vor allem auch die neuen DAX-Regeln sollten die Bilanzen noch genauer auf Kosmetik untersucht werden. Ansonsten droht in der Zukunft eine massive Enttäuschung.

 

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