Dringender Reformbedarf der Abschlussprüfung
„Wirtschaftsprüfer fürchten Reputationsschaden durch Fall Wirecard.“ – Eine Schlagzeile aus dem Handelsblatt vom 30. September 2020.
Die Branche der Wirtschaftsprüfer ist nicht die Einzige, deren Image durch den Bilanzskandal bei Wirecard leidet. Auch der deutsche Kapitalmarkt, deutsche Institutionen und vor allem Start-ups in der FinTec-Branche leiden auch. Am härtesten trifft es vor allem die Ehrlichen, wie beispielsweise Gründer, die mit ihrer Geschäftsidee die digitale Transformation vorantreiben möchten. Sie werden zwar vielleicht niemals in den DAX aufsteigen, aber dafür ihr Geschäftsmodell auf ehrliche Weise aufbauen wollen.
„Whistleblower warned EY of fraud at Wirecard four years before the collapse” – Eine Schlagzeile aus der Financial Times – auch vom 30. September 2020. Wie war das noch mit dem Image der Wirtschaftsprüfer?
Oligopol der Big4
Vor dem Bilanzskandal Enron vor knapp zwanzig Jahren gab es noch die Big5. Arthur Andersen war damals kurze Zeit nach Enron untergegangen. Seither beherrschen die Big4 den Markt. Nicht nur die großen vier, auch andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben Schwierigkeiten, Personal für die Abschlussprüfung zu finden. Der aktuelle Skandal trägt zudem nicht zu einem besseren Image bei, der das Interesse an dem Beruf wecken könnte.
Unabhängig davon, welche Regelungen nach der Reform für die Branche gelten: Mittelständische Prüfungsgesellschaften dürfen nicht noch mehr von Markt verschwinden. Andernfalls wird es künftig noch weniger Wettbewerb geben und dies trägt sicherlich auch nicht zu einer Qualitätsverbesserung der Abschlussprüfung bei.
In der Diskussion sollte daher auch berücksichtigt werden, welche Auswirkungen die Änderungsvorschläge für kleinere Gesellschaften haben. Ansonsten droht noch mehr Marktkonzentration. Denn wie auch die vor wenigen Jahre eingeführte Rotationspflicht gezeigt hat: Es profitieren keineswegs die mittelgroßen Gesellschaften.
Wie kann die Abschlussprüfung reformiert werden?
Mit dieser Frage habe ich mich in den letzten Monaten häufiger beschäftigt und auch viele Gespräche mit Wirtschaftsprüfern geführt, die in großen, kleinen und mittleren Prüfungsgesellschaften arbeiten. Denn als Nicht-Wirtschaftsprüferin kenne ich die Herausforderungen so mancher Reformvorschläge nicht, da ich auch nie als Prüfungsassistentin gearbeitet habe.
Folgende Vorschläge habe ich diskutiert:
- Joint Audit
- Trennung von Prüfung und Beratung
- Honorarordnung für Wirtschaftsprüfer
- Verkürzung der Rotationspflicht
Beim Joint Audit prüfen zwei Gesellschaften zusammen ein Unternehmen und erteilen den Bestätigungsvermerk gemeinsam. Was als Außenstehender nach einer guten Lösung wirkt, wurde von einigen Wirtschaftsprüfern bei der praktischen Umsetzung als schwierig gesehen.
Auch die Trennung von Prüfung und Beratung ist insbesondere für kleine Gesellschaften schwierig umzusetzen, obwohl dies auf den ersten Blick eine gute Lösung zu sein scheint. Es geht hier nämlich um die Grundproblematik, dass ein Prüfer seine Empfehlungen an das Unternehmen absegnet. Möglicherweise könnte eine Trennung ab einer bestimmten Unternehmensgröße dieses Problem verringern. Allerdings sorgt dies wiederum für Komplexität. Ich sehe ein: Eine einfache Lösung wird es in diesem Fall nicht geben.
Das Thema Honorar der Abschlussprüfung wurde in den letzten Wochen in den Medien auch häufiger diskutiert. Durch Preiswettbewerb erhält eine Gesellschaft möglicherweise ein Mandat. Dann wird der Vorwurf laut, dass die Prüfung entsprechend „lasch“ erfolgt, damit es noch einigermaßen wirtschaftlich bleibt. Ein schwieriges Unterfangen. Eine mögliche Lösung wäre die Einführung einer Honorarordnung wie sie auch in anderen Branchen üblich ist. Die Unternehmen würden dann quasi in Abhängigkeit ihrer Größe eine Abgabe für die Abschlussprüfung in einem Topf bezahlen. Der beauftragte Abschlussprüfer erhält aus dem Topf eine entsprechende Vergütung.
Die Verkürzung der Rotationspflichten war auch einer der Lösungsvorschläge einer Reform. Diese wurden erst vor wenigen Jahren eingeführt. So kann eine Prüfungsgesellschaft ein Unternehmen maximal zwanzig Jahre prüfen, was immer noch sehr lange ist. Die entscheidende Frage ist hier, welcher maximale Zeitraum optimal wäre. Denn bei der Übernahme eines neuen Mandates müssen sich die Abschlussprüfer erst mit den Gegebenheiten des Unternehmens vertraut machen.
Für alle Vorschläge gilt: Man sollte sich genauer anschauen, wie dies in anderen EU-Staaten geregelt ist. Dort wurden sicherlich auch schon Erfahrungen gemacht mit dem ein oder anderen Lösungsvorschlag. Schließlich müssen wir nicht alle Erfahrungen selbst machen, sondern können auch von der Erfahrung unserer Nachbarländer profitieren.
Lesen Sie dazu auch:
- Wirtschaftsprüfer fürchten Reputationsschaden durch Fall Wirecard (handelsblatt.com v. 30.09.2020)
- Wie der Filz der Wirtschaftsprüfer griffige Gesetze verhindert
(www.wiwo.de v. 07.08.2020)