Warum es nach der Pandemie wieder Präsenzversammlungen geben sollte
In der diesjährigen Hauptversammlungs-Saison habe ich an vielen Hauptversammlungen teilgenommen. Alle waren virtuell. Meine Erfahrungen von Präsenz-Hauptversammlungen dagegen sind eher überschaubar. Auch wenn ich eine Befürworterin der Digitalisierung bin, so muss ich zugeben: Für manche Unternehmen ist es wichtig, dass nach der Pandemie wieder Präsenz-Hauptversammlungen möglich sind. Wie ich zu dieser Erkenntnis gelangt bin? Durch die derzeitige Form der virtuellen Hauptversammlung in Deutschland.
Auf deutschen Hauptversammlungen ist die Möglichkeit der Fragenstellung während der Hauptversammlung immer noch der Ausnahmefall. Bei Hauptversammlungen in Luxemburg oder den Niederlanden als Beispiel habe ich erlebt, dass es dort die Möglichkeit gab, Rückfragen zu stellen. Diese fehlende Möglichkeit finde ich problematisch, denn so sind die Aktionärsrechte eingeschränkt.
Die Teilnahme an einer virtuellen Hauptversammlung fühlt sich eher an, wie aktives fernsehen. Man verfolgt, was auf dem Bildschirm passiert – und macht (anders als beim Fernsehen) Notizen. Manchen Unternehmen fehlt der aktive Dialog mit ihren Aktionären. Noch ist nicht sicher, in welchem Format die Hauptversammlungen im nächsten Jahr durchgeführt werden. Die Sonderregelung läuft am Jahresende aus. Es wird sich zeigen, welche Formate sich fortsetzen.
Insbesondere bei Unternehmen, die ihren Aktionären wenig Erfreuliches zu berichten haben, wirkten auf mich eher erfreut über die virtuelle Hauptversammlung. Kritisch gestellte Fragen wurden verlesen wie ein Wetterbericht. Die Antworten? Nicht immer zufriedenstellend. Das sind sicherlich eher Ausnahmen, doch hat sich hier für mich gezeigt: Durch das virtuelle Format kann man bei kritischen Nachfragen den Fragenstellern auch als Exot darstellen. Bei der Teilnahme an einer derartigen Hauptversammlung finde ich es besonders ärgerlich, dass keine Möglichkeit einer Rückfrage besteht. Für die Kritik an der schwammig beantworteten Frage muss bis zur nächsten Hauptversammlung gewartet werden – sofern die Investor-Relations-Abteilung des Unternehmens auf Anfragen nicht reagiert.
Eine hybride Hauptversammlung wird sich nur für Unternehmen realisieren lassen, die erfahrungsgemäß eine hohe Teilnehmerzahl bei den Präsenz-Hauptversammlungen haben, denn bisher sind die Kosten für dieses Misch-Modell noch recht hoch. Entscheidend ist vor allem auch die Gleichbehandlung aller Aktionäre. So müssen bei einer hybriden Hauptversammlung auch online zugeschaltete Aktionäre die Möglichkeit haben, während der Hauptversammlung Fragen einzureichen.
Fazit:
Die Pappenheimer sind immer die selben. Doch bei einer virtuellen Hauptversammlung hat man eher den Eindruck, dass kritische Stimmen durch die Beantwortung der Fragen des Unternehmens kleingeredet werden können. Schließlich kann der Fragensteller seine Kritik nur durch Worte und nicht mit der passenden Körpersprache sowie Stimme auf der Hauptversammlung vorbringen.