Vor wenigen Tagen hat der IASB eine Änderung von IAS 12, des Standards zu latenten Steuern, beschlossen. Dabei ging es unter anderem um latente Steuern aus Leasingverhältnissen. Wie ich bereits in früheren Blogs erläutert hatte, bucht der Leasingnehmer bei Leasingverhältnissen nach IFRS 16 grundsätzlich eine Leasingverbindlichkeit zum Barwert der Leasingverpflichtung und ein Recht zur Nutzung des Leasingobjekts ein. Der Wert des Nutzungsrechts leitet sich aus dem Wert der Leasingverbindlichkeit ab, kann jedoch etwa durch anfängliche Leasingzahlung vor Beginn der Leasinglaufzeit oder auch durch direkt dem Leasingverhältnis zurechenbare Kosten des Leasingnehmers modifiziert werden. Das Nutzungsrecht wird über die Leasinglaufzeit abgeschrieben und die Leasingverbindlichkeit durch den Tilgungsanteil in der Leasingrate vermindert.
Diese Vorgehensweise wird regelmäßig nicht der steuerlichen Bilanzierung entsprechen. Fraglich war, welche Konsequenzen sich für die latenten Steuern nach IAS 12 ergeben. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass IAS 12 einige Ausnahmen von der Pflicht zur Bildung latenter Steuern vorsieht, u.a. für Fälle der Ersteinbuchung von Vermögenswerten und Schulden außerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses.
Im Kern sind nach IAS 12 aktive oder passive latente Steuern zu bilden, wenn temporäre Differenzen zwischen dem IFRS-Buchwert eines Vermögenswertes oder einer Schuld und dem zugehörigen Steuerwert vorliegen. Dazu gibt der Standard einige Ausnahmen vor, etwa wenn (kumulativ)
- es sich um eine Differenz handelt, die nicht aus einem Unternehmenszusammenschluss entstanden ist, und
- im Entstehungszeitpunkt weder das handelsbilanzielle noch das steuerliche Ergebnis berührt wird (IAS 12.15, .24).
Auf Gegenausnahmen gehe ich hier nicht weiter ein.
Der geänderte IAS 12 sieht diesbezüglich künftig vor, dass latente Steuern aus dem Erstansatz von Vermögenswerten und Steuern nicht zu bilden sind, sofern (kumulativ)
- es sich nicht um einen Unternehmenszusammenschluss handelt,
- weder das handelsbilanzielle noch das steuerliche Ergebnis berührt werden und
- (neu) zum Zeitpunkt der Transaktion keine aktiven und passiven latenten Steuern in gleicher Höhe resultieren.
Betroffen sein können beispielsweise GuV-neutral einzubuchende Rekultivierungs- oder Wiederherrichtungsverpflichtungen. In meinem Blog möchte hier besonders die auf Leasingverhältnisse zielende neue Regelung des IAS 12.22A hervorheben. Danach können sich abhängig vom jeweiligen Steuerrecht bei der erstmaligen Erfassung des Nutzungsrechts und der Leasingverbindlichkeit gleich hohe steuerpflichtige und abzugsfähige temporäre Differenzen ergeben. Die zuvor dargestellte Befreiung von der Pflicht zur Bildung latenter Steuern gilt danach nicht für solche temporären Differenzen und es sind aktive und passive latente Steuern zu bilden. Hierzu gibt der Standard ein Beispiel.
Der Leasingnehmer schließt einen fünfjährigen Mietvertrag für ein Gebäude ab. Der Barwert der Leasingraten und damit die Leasingverbindlichkeit beträgt 435. Vor Beginn des Leasingverhältnisses leistet der Mieter/Leasingnehmer zusätzlich eine Leasingzahlung in Höhe von 15 und trägt anfängliche direkte Kosten in Höhe von 5. Das Nutzungsrecht wird mit 455 bewertet, bestehend aus der erstmaligen Bewertung der Leasingverbindlichkeit (435), zuzüglich der geleisteten Leasingzahlung vor Beginn des Leasingverhältnisses (15) und der anfänglichen direkten Kosten (5).
Steuerlich werden sämtliche Zahlungen annahmegemäß sofort als Betriebsausgaben berücksichtigt. Der Steuersatz beträgt 20 %. Aufgrund der Prüfung unter Berücksichtigung des geltenden Steuerrechts gelangt der Leasingnehmer zu dem Schluss, dass sich die Steuerabzüge für die laufenden Leasingzahlungen auf die Rückzahlung der Leasingverbindlichkeit beziehen.
Auf die in der Handelsbilanz aktivierte Leasingvorauszahlung und die anfänglichen direkten Kosten sind passive latente Steuern in Höhe von 4 (20 % von 20) zu bilden, weil der Steuerwert wegen der sofortigen Abzugsfähigkeit Null beträgt und die Differenz sich durch die Abschreibung des Nutzungsrechts in der IFRS-Bilanz umkehrt. Die Befreiungsvorschrift vom Ansatz latenter Steuern aus dem Erstansatz von Vermögenswerten greift nicht, weil die Beträge unmittelbar steuerwirksam wurden.
Bei Einbuchung des Leasinggeschäfts entstehen zudem temporäre Differenzen bezüglich des Nutzungsrechts (steuerbare Differenz) und bezüglich der Leasingverbindlichkeit (abzugsfähige Differenz) von jeweils 435. Die Befreiung vom Ansatz aktiver und passiver latenter Steuern aus der Ersteinbuchung eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld greift nach der Neuregelung in IAS 12 nicht, da durch die Transaktion gleich hohe steuerpflichtige und abzugsfähige temporäre Differenzen entstehen. Wenn von der Nutzbarkeit der aktiven latenten Steuer auszugehen ist, sind aktive und passive latente Steuern in Höhe von jeweils 87 (20% von 435) für die temporären Differenzen zu bilden.
Insgesamt ist damit aktive latente Steuer in Höhe von 87 (20 % von 435) zu bilden. Passive latente Steuer entsteht in Höhe von 91 (20 % von 455). In der Folgezeit vermindert sich die passive latente Steuer infolge der Abschreibung des Nutzungsrechts und die aktive latente Steuer infolge der Tilgung der Leasingverbindlichkeit.
Update: Der geänderte IFRS 16.22(b) regelt die ggf. GuV-wirksame Erfassung der latenten Steuer.
Weitere Informationen:
IASB, Deferred Tax related to Assets and Liabilities arising from a Single Transaction, Amendments to IAS 12, May 2021
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