Scherzhaft möchte man fast sagen, dass der koordinierte Ländererlass zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes unkoordiniert ist. So stimmt es natürlich nicht. Fakt ist, aber dass es sich nicht um einen gleichlautenden Ländererlass handelt, denn in einem Bundesland gilt die Verwaltungsanweisung nicht.
Aber zunächst zum Hintergrund: Die Erbschaftsteuer sorgte in den letzten Jahren immer wieder für Gesprächsstoff. Der Grund sind regelmäßig verfassungsmäßige Bedenken. So hatte das Bundesverfassungsgericht Ende 2014 in der seinerzeitigen Rechtslage nicht zum ersten Mal (und vielleicht auch nicht zum letzten Mal) Bedenken gehabt. Die obersten Hüter des Grundgesetzes sahen die bisherigen Privilegien für Erben eines Betriebs als zu weitgehend. Daher gaben sie dem Gesetzgeber als Hausaufgabe auf bis zum 30.06.2016 eine Neuregelung zu finden. Dank der Großen Koalition und unterschiedlichen Meinungen in den Bundesländern war der Ringkampf damit eröffnet.
Kurz vor Toresschluss beschließt der Bundestag (am 24.06.2016) die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Folge: Am 8.7.2016 ruft der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an, der sich jedoch (nach einigem hin- und her) einigen kann und so das neue Recht am Anfang November 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. Das Erbschaftsteuergesetz ist daher nicht zu Letzt ein Stück gelebte Demokratie im Rechtsstaat.
Mit Datum vom 22.06.2017 wurde nun der koordinierte (aber eben nicht gleichlautende) und stolze 89 Seiten starke Ländererlass veröffentlicht. Frei nach Asterix und Obelix gilt dieser nun im gesamten Bundesgebiet. Im gesamten Bundesgebiet? Nein! Ein von unbeugsamen Bürgern bevölkerter Freistaat Bayern hat sich dem Erlass nicht angeschlossen. Die Gründe für diesen ungewöhnlichen Vorgang liegen dabei darin, dass die Bayern dem Vernehmen nach in mindestens zwei Punkten eine Auffassung vertreten, die deutlich zugunsten des Steuerzahlers ausfällt.
Einmal geht es dabei um die Definition des jungen Finanzvermögens im Konzern. Junge Finanzmittel sind der positive Saldo der innerhalb von zwei Jahren vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer eingelegten und der entnommenen Finanzmittel. Solche Jungen Finanzmittel gehören nicht zum Verwaltungs- oder Finanzvermögens, sodass es nicht den Verschonungsregeln für betriebliches Vermögen unterliegt. Die Bayern wollten nun verhindern, dass Finanzmittel, die schon mehr als zwei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt im Konzern vorhanden waren, jedoch innerhalb dieser zwei Jahre an eine Tochtergesellschaft weitergegeben wurden nicht als junge Finanzmittel behandelt werden. Leider ist dies jedoch nicht im Erlass aufgenommen worden, weshalb im Endeffekt auch Finanzvermögen, dass schon Jahrzehnte zum Konzern gehört hat ungeschmälert der Besteuerung unterworfen werden soll, wenn es innerhalb von zwei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt von der Holding an die Tochtergesellschaft weitergegeben wurde.
Zum anderen ging es um die Regelung zum verfügbaren Vermögen bei der Verschonungsbedarfsprüfung für Großunternehmen. Konkret störte sich der Freistaat daran, dass bei der Ermittlung des verfügbaren Vermögens latente Einkommensteuern nicht berücksichtigt werden sollen. Ebenso monierten die Bayern (aus meiner Sicht auch vollkommen zu Recht), dass die auf das verfügbare Vermögen entfallende Erbschaftsteuer den Wert des verfügbaren Vermögens nicht schmälern soll. Entgegen allen anderen Bundesländern wollten die Bayern eine so mögliche Überbesteuerung nicht hinnehmen.
An dieser Stelle ist es daher schade, dass sich Bayern nicht durchsetzen konnte. Auch wenn der koordinierte Ländererlass aufgrund der oben genannten Gründe in Bayern de facto nicht gilt, dürfte der Tenor der Verwaltungsmeinung auch im Freistaat Anwendung finden. Dennoch zeigt nicht nur die Geschichte des Zustandekommens des neuen Gesetzes, sondern auch die Auseinandersetzungen rund um den Ländererlass (und die offensichtlich immer noch bestehende Uneinigkeit) zeigen, dass man nicht immer einer Meinung war (und ist). Wahrscheinlich könnte daher auch sein, dass auch noch in der Zukunft zahlreichen Diskussionsbedarf zum Thema Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt.
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