Lackmustest Heizungsgesetz: Kommen Beteiligungsrechte der parlamentarischen Demokratie unter die Räder?

In der Beratungswoche vom 5.-7.7.2023 soll die GEG-Novelle (sog. „Heizungsgesetz“) abschließend das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Oppositionspolitiker und Anhörungsexperten bemängeln den Husarenritt, mit dem das Gesetz durch den Bundestag „gepeitscht“ werden soll. Werden Abgeordnetenrechte verletzt?

Hintergrund

Im Rahmen der Energiewende hat die Ampel-Koalition bereits vor Monaten eine Novelle zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf den Weg gebracht. Die Novelle zum Gebäudeenergiegesetz und weiteren Verordnungen soll dafür sorgen, dass im Gebäudesektor die Treibhausgasemissionen sinken, damit Deutschland seine Klimaziele erfüllt. Der Entwurf sieht vor, dass ab 2024 in Neubaugebieten Heizungen eingebaut werden müssen, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Ursprünglich sollten alle neuen Heizungen von 2024 an diese Vorgabe erfüllen. Jetzt soll die Wärmeplanung der Kommunen der zeitliche Taktgeber sein. Um das sog. „Heizungsgesetz“ gab es innerhalb der Regierungskoalition heftigen Streit, die Opposition lehnt das Vorhaben ab.

Wie ist der Regierung vorgegangen?

Der Bundesrat hat sich bereits am 12.5.2023 mit dem als „eilbedürftig“ (Art.76 Abs. 2 GG) bezeichneten Gesetzentwurf der Regierung befasst, der im Nachgang nochmals geändert wurde. Erst am Freitag, 30.6.2023 lag der 111 Seiten umfassende, geänderte Regierungsentwurf zur GEG-Novelle schriftlich vor und wurde zur Stellungnahme an die Verbände versandt. Am 3.7.2023 fand im federführenden Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie die Expertenanhörung statt: Neben einigen Verbesserungen am ursprünglichen Entwurf sehen die Experten aber auch noch viele unbeantwortete Fragen, insbesondere in Bezug auf die Umsetzungstechnik und Finanzierung. Noch in dieser Sitzungswoche (5.-7.7.2023) soll das Gesetz den Bundestag passieren, weil es sich um die letzte Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause handelt.

Bundesverfassungsgericht prüft einstweilige Anordnung

Ein Unionspolitiker hat als Mitglied des Bundestages inzwischen beim BVerfG eine einstweilige Anordnung (§ 32 BVerfGG) beantragt und will auf diesem Wege eine längere Beratungsfrist im Bundestag erreichen. Mit dem Organstreitverfahren (Art.93 Abs. 1 Nr.1 GG) rügt der Mandatsträger eine Verletzung seiner Abgeordnetenrechte (Art. 38 Abs. 1 GG) am parlamentarischen Gesetzgebungsprozess: Dazu gehört, dass ein Abgeordneter, der am Ende als gewählter Volksvertreter für oder gegen ein Gesetz stimmen soll, ausreichend Gelegenheit haben muss, sich mit der Gesetzesmaterie auseinanderzusetzen, Informationen einzuholen und im Bundestag streitig zu diskutieren.

Wie ist das zu bewerten?

Bei allem Verständnis für die Eilbedürftigkeit mancher Gesetze dürfen die parlamentarischen Beteiligungsrechte nicht unter die Räder kommen. Bis heute (Abfrage 4.7.2023, 11.00) steht der GEG-Entwurf noch nicht einmal auf der Tagesordnung der letzten BT-Sitzungswoche. Für Verbände und kommunale Spitzenverbände ist eine Stellungnahmefrist zu einem 111 Seiten Gesetzeswerk „übers Wochenende“ gelinde gesagt eine Zumutung. Für Parlamentarier gilt nichts anderes, im Gegenteil: das GG weist ihnen als Teil der Legislative besondere Beteiligungsrechte zu, die bei einem „Hau-Ruck-Gesetzgebungsverfahren“ nicht mehr beachtet werden. Ein hastig verabschiedetes Gesetz, das hinterher mehrfach massiv nachgebessert werden muss, ist nicht nur schlecht gemacht, sondern hebt auch die Grundregeln parlamentarischer Gesetzgebung aus den Angeln. Macht dieser Sündenfall beim GEG Schule, ist auf Dauer die parlamentarische Demokratie in Gefahr.

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