Das einheitliche europäische Berichtsformat steht vor der Tür und damit auch die Möglichkeiten der digitalen Auswertung von Jahresabschlüssen. Wird die künstliche Intelligenz die Auswertung von Experten überflüssig machen? Ein heiß diskutiertes Thema, wie auch die Pro/Contra-Reihe in der Fachzeitschrift „PiR – Internationale Rechnungslegung“ zeigt. Haaker und Freiberg stellen jeweils immer eine der beiden Positionen zu einem Thema dar.
Automatische Auswertung von Jahresabschlüssen
Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Big Data. Die heutigen digitalen Möglichkeiten können auch für die Auswertung von Jahresabschlüssen genutzt werden. Die Daten der Buchhaltung und somit auch die der Jahresabschlüsse liegen heutzutage ohnehin alle in einer entsprechenden Buchhaltungssoftware vor. Somit müssten die Daten doch eigentlich nur entsprechend in ein Programm hineingespuckt werden, um die gewünschten Auswertungen zu erhalten.
So zumindest meine Vorstellung. Sicherlich gibt es bei der technischen Umsetzung die ein oder andere Hürde. Andererseits können Auffälligkeiten durch die digitale und automatische Auswertung leichter festgestellt werden. Dies kann nicht nur für die Aufdeckung von Bilanzmanipulationen, sondern auch bei sonstigen Auffälligkeiten in der Buchhaltung genutzt werden. Dadurch werden Vergleiche einzelner Daten erheblich erleichtert und schneller möglich – und gerade die Schnelligkeit wird im Zuge der digitalen Transformation immer wichtiger.
Auch für die Branche der Wirtschaftsprüfer wird diskutiert, wie sich die Anforderungen an den Berufsstand geändert haben und welche Kompetenzen künftig notwendig sein werden – vor allem im IT-Bereich.
Ersetzt künstliche Intelligenz demnächst menschliche Bilanzierungsexperten?
Künstliche Intelligenz wird das menschliche Erfahrungswissen sicherlich nicht ersetzen. Aber anhand der erleichterten Möglichkeiten der digitalen Auswertungen können menschliche Bilanzierungsexperten Auffälligkeiten schneller feststellen bzw. tiefergehende Analysen durchführen als bei manueller Ermittlung von Kennzahlen. Anders ausgedrückt: Durch die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz werden überhaupt erst einige Analysen möglich, die bisher aufgrund manueller Durchführung zu zeitintensiv und damit zu kostenintensiv gewesen wären.
Die Anforderungen an die Kompetenzen der menschlichen Arbeitskraft werden dadurch steigen. Denn nicht jeder Zusammenhang, der anhand der automatischen Auswertung verschiedener Datensätze „ausgespukt“ wird, ist auch tatsächlich ein bestehender Zusammenhang. Nur bei ausreichender Kompetenz des Bilanzierungsexperten kann gewährleistet werden, dass bei einer Analyse „auf Knopfdruck“ verdächtige Zusammenhänge als solche hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts verifiziert und klassifiziert werden können.
Fazit:
Der Einsatz künstlicher Intelligenz bietet die Chance für weitere Analysen der Jahresabschlüsse. Das Denken eines menschlichen Bilanzierungsexperten wird sie jedoch nicht ersetzen – zumindest nicht in absehbarer Zeit.
Lesen Sie zu diesem Thema auch:
Haaker/Freiburg, Automatische Auswertung von IFRS-Abschlüssen? PiR 9/2019 S. 269
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Zum einheitlichen europäischen Berichtsformat:
http://www.esef.eu/inhaltliche-vorgaben-des-esef/