Zum Jahreswechsel 2017/2018 gelangte vor allem die digitale Kryptowährung Bitcoin in den Fokus der (medialen) Öffentlichkeit; nicht zuletzt wegen Kursen von bis zu 16.892 Euro pro Bitcoin am 17.12.2017. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass damit auch die Frage der steuerlichen Behandlung einherging.
Dabei konzentrierten sich die bisherigen Veröffentlichungen vornehmlich auf die umsatzsteuerliche sowie auf die ertragsteuerliche und bilanzielle Behandlung. Auch wenn seitens des Steuergesetzgebers bzw. der Finanzverwaltung noch keine bundeseinheitliche Handhabung im Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung erlassen wurde, sieht die h.M. im Schrifttum den Anwendungsbereich des steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG für im Privatvermögen befindliche Kryptowährungen und deren Transaktionen für eröffnet an. Im gewerblichen Bereich kommen die bekannten allgemeinen Besteuerungsgrundsätze zur Anwendung.
Während die ertragsteuerliche Behandlung, zumindest in den Grundzügen und für die gängigen Vorgänge wie den Kauf und Verkauf von Kryptowährungen, weitestgehend geklärt scheint, erfuhr die erbschaft- und schenkungsteuerliche Seite und deren Zusammentreffen mit der ertragsteuerlichen Seite bislang nur eine untergeordnete Beachtung. Gleichwohl liegen in der Praxis selbst bei vermeintlich einfach gelagerten Sachverhalten diverse Problematiken vor. Das nachfolgende Beispiel soll dies verdeutlichen und Sensibilität für derartige Vorgänge bewirken, obgleich nur eine detaillierte Betrachtung und Würdigung des Einzelfalls eine fundierte Würdigung zulässt.
Beispiel:
Sachverhalt: Der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige X erhält am 1.1.2018 von einem Ihm bekannten Steuerpflichtigen Y, der ebenfalls in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, 10 Coins der Kryptowährung A, die Y am 1.6.2016 erwarb, mit einem Gesamtwert i.H.v. 1.000 Euro. 10 Tage später veräußert X seine geschenkt bekommenen 10 Coins zu einem Preis von 2.000 Euro.
Ertragsteuerliche Würdigung: Für die erste Frage, ob X ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. §§ 22, 23 EStG bewirkt, sind zwei Aspekte entscheidend, da X in die Fußstapfen des Rechtsvorgängers (Y) tritt und demnach dessen Anschaffungskosten und Anschaffungszeitpunkt übernimmt:
- Zu welchem Zeitpunkt erwarb Y die 10 Coins und
- welche Anschaffungskosten hatten diese?
Für die 10 geschenkten Coins, die Y am 1.6.2016 erwarb, läge aus ertragsteuerlicher Sicht für X kein privates Veräußerungsgeschäft vor, da mehr als ein Jahr zwischen Anschaffung und Veräußerung liegen. Beträgt der Zeitraum hingegen weniger als ein Jahr, so wären die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers (Y) für die korrekte Ermittlung des Veräußerungsgewinns maßgeblich.
Während die Betrachtung in der Theorie nachvollziehbar und unproblematisch erscheint, erweisen sich die zwei Aspekte „Anschaffungskosten“ und „Anschaffungszeitpunkt“ oftmals als Probleme, und zwar immer dann, wenn diese nicht bekannt/ ermittelbar sind.
Für die Handhabung lassen sich grundsätzlich drei Handlungsoptionen – bei unterstellter vollständiger Offenlegung gegenüber dem Finanzamt – diskutieren:
- Kein Ansatz von sonstigen Einkünften mangels nicht ermittelbarer(m) Anschaffungskosten/-zeitpunkt.
- Ansatz der Anschaffungskosten mit 0 Euro und Zeitpunkt der Schenkung als Anschaffungszeitpunkt (falls der Anschaffungszeitpunkt des Schenkers nicht bekannt ist).
- Ansatz des gemeinen Werts zum Zeitpunkt der Schenkung und Verwendung des Zeitpunkts der Schenkung als Anschaffungszeitpunkt.
Während Variante 1 offenkundig nur für risikofreudige Steuerpflichtige infrage kommt und aus Beratungssicht abzulehnen ist, lässt sich über Variante 2 und 3 diskutieren.
Für Variante 2 könnte eine analoge Auslegung der Verwaltungsmeinung zur steuerlichen Behandlung von sog. Bonus-Aktien sprechen, die ein Aktionär ohne zusätzliches Entgelt respektive Gegenleistung von einem ausländischen Emittenten erhält, wenn die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags nicht möglich ist. Für den Beispielfall würden sich die sonstigen Einkünfte aus dem privaten Veräußerungsgeschäft demzufolge auf 2.000 € beziffern, sofern auf den Zeitpunkt der Schenkung als Anschaffungszeitpunkt abgestellt würde. Bei Rekurs auf einen ggf. bekannten Anschaffungszeitpunkt des Schenkers wäre hingegen eine Fristberechnung gem. dem Beispiel obligat.
Gleichwohl ist fraglich, ob eine solche Auslegung für Kryptowährungen adäquat ist. Vor dem Hintergrund, dass die Coins der Schenkung zum Zeitpunkt der Zuwendung offenkundig (wie im Beispiel der Fall) nicht wertlos waren, ist nach Ansicht des Verfassers ein Ansatz mit 0 Euro als Anschaffungskosten nicht sachgerecht, auch wenn dies aus erbschaftsteuerlicher Perspektive ggf. beim Überschreiten von den Freibeträgen Schenkungsteuer auslösen kann.
In der Gesamtschau ist demnach zu resümieren, dass Variante 3 ungeachtet der „schenkungsteuerlichen Nebenwirkungen“ derzeit wohl den adäquatesten Weg darstellt, wenn sowohl die Anschaffungskosten als auch der Zeitpunkt der Anschaffung des Rechtsvorgängers nicht ermittelbar sind; eine konkretisierende und bundeseinheitliche Äußerung seitens der Finanzverwaltung – für den gesamten Themenkomplex der Kryptowährungen – wäre indes wünschenswert!