Klimawandelbezogene Risiken in der Modebranche – was bedeutet das konkret? Mein erster Gedanke: Weniger Umsatz, weil Konsumenten bewusster einkaufen und sich für nachhaltigere Mode entscheiden. Doch ein Blick in den aktuellen Geschäftsbericht von Zalando zeigt, dass diese Annahme nicht zutrifft.
Worüber Zalando berichtet
Wie Zalando die klimawandelbezogenen Risiken im Geschäftsbericht 2024 auf Seite 132f. beschreibt:
„Der Jahreszeitenwechsel, verstanden als Abfolge typischer Wettermuster, löst auch einen Wechsel in den Kleiderschränken Europas aus, der sich in den Frühjahr- /Sommer- und Herbst-/Winter-Kollektionen ausdrückt. Mit den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels verschwimmen die Jahreszeiten, die Übergänge sind unberechenbarer geworden. Unberechenbare oder schwankende Nachfragemuster erschweren eine gezielte Planung von Kampagnen und Produkt-Launches und stellen eine Herausforderung für die Bestandsverwaltung dar. Häufig entstehen Überbestände, die mit starken Preisnachlässen abgebaut werden müssen.
Der Klimawandel äußert sich zudem in extremen Wetterereignissen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Mit dem weltweiten Temperaturanstieg werden Häufigkeit und Intensität der Regenfälle in Europa voraussichtlich zunehmen. Beispiele sind die großflächigen Überschwemmungen, von denen mehrere Regionen im spanischen Valencia im Oktober und November 2024 betroffen waren, sowie das Hochwasser in Italien im Mai 2023. Diese extremen Wetterereignisse beeinträchtigen unser Geschäft und stellen eine Gefahr für unsere Logistikstandorte dar, da es aufgrund von Ausfällen unserer eigenen oder öffentlichen Infrastruktur zu potenziellen Störungen unseres Logistikbetriebs kommen kann.
Der Klimawandel kann weitreichendere Störungen in unseren Lieferketten auslösen, etwa durch Beeinträchtigungen in den Herstellerländern, in wichtigen Häfen oder in der Schifffahrt, sodass sich der Transport oder die Produktion fertiger Produkte verzögert und/oder Engpässe bei Rohstoffen wie Baumwolle entstehen. Diese Störungen können zu Preiserhöhungen führen und die Frist für den Abverkauf der jeweiligen Produkte in der Zalando App und Web verkürzen.
Es wird erwartet, dass das milde Wetter und die verlängerten Jahreszeiten zukünftig anhalten werden, was die Vorhersagbarkeit saisonaler Veränderungen erschwert. Um diese klimawandelbedingten Risiken abzumildern, begegnet Zalando der wetterbedingten Unsicherheit mit flexibleren Beschaffungs- und Planungsprozessen sowie der Erweiterung seiner Produktpalette in saisonunabhängigen Bereichen.“
Und mein Senf
Wie sieht es denn mit den Folgen der Fast-Fashion-Industrie auf den Klimawandel aus? Darüber hüllt sich Zalando in Schweigen. Schließlich trägt die Modeindustrie selbst zu dem Problem bei. Das ist ein bisschen wie über die Symptome zu sprechen, ohne die Ursache zu erwähnen.
Überbestände, die durch Preisnachlässe abgebaut werden. Nicht gerade das, was ich unter Nachhaltigkeit verstehe. Denn mehr Nachhaltigkeit wäre ein Schritt, um die Umweltbelastung zu reduzieren und gleichzeitig die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren.
Kreislaufwirtschaft? Fehlanzeige. Zalando erwähnt nicht, dass Secondhand-Modelle oder Kreislaufwirtschaftskonzepte helfen könnten, die Umweltauswirkungen zu verringern. Aber stimmt ja. Fast-Fashion-Mode passt da nicht so ganz rein.
Könnte die EU-Taxonomie nicht Auskunft darüber geben, inwieweit die Aktivitäten von Zalando auf nachhaltige Art und Weise erbracht werden? Theoretisch schon. Nur praktisch zeigt der Blick in den Geschäftsbericht: Die Umsätze von Zalando sind zu 100 % nicht taxonomiefähig, d.h. eine Bewertung nach den EU-Vorgaben ist nicht möglich. Bedauerlich, dass die EU hier keine Kriterien festgelegt hat. Dabei gehört doch gerade die Modeindustrie zu einer Branche, bei der das Thema ESG eine besondere Rolle spielt. Das zeigt sich an den Wortmeldungen einer Hauptversammlung in der Branche. Hier melden sich neben Aktionärsvertretern vor allem auch Umweltaktivisten zu Wort.
Was mich überrascht: Im Vergleich zum Vorjahr wird die Eintrittswahrscheinlichkeit der klimawandelbezogenen Risiken nur noch als „mittel“ eingestuft, 2023 wurde diese noch mit „hoch“ angegeben. Verwunderlich, da die Probleme des Klimawandels doch immer mehr sichtbar werden.
Solange die Modebranche ihre Verantwortung für den Klimawandel nicht ernst nimmt, bleiben Geschäftsberichte wie der von Zalando eine Bestandsaufnahme der Symptome – ohne echte Lösungen für die Ursachen.
Lesen Sie hierzu auch:
Ungeheuer EU-Taxonomie – Was sie über die Nachhaltigkeit von Unternehmen (nicht) sagen
Ein Beitrag von:
-
- Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
- Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
- Fachbuchautorin
- Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
- Mehr unter carolarinker.de
Warum blogge ich hier?
Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.
22.03.2025 von Stefan Amourette
Aufreger des Monats April: Rückgängigmachung des IAB für PV-Anlage oder keine Lust auf Karlsruhe