Bereits in früheren Blogs habe ich mich mit dem umweltpolitischen Instrumentarium insgesamt und mit einer CO2-Besteuerung des KFZ-Bereichs im Speziellen befasst. Nun hat das sogenannte Klimakabinett im Vorfeld der UN-Konferenz zur Klimathematik gut 21 Seiten „Eckpunkte“ eines deutschen Klimaschutzprogramms 2030 beschlossen.
Im Papier werden 4 Elemente definiert:
- Förderprogramme/Anreize zur CO2-Einsparung
- Bepreisung CO2-Ausstoß
- Entlastung der Bürger, wobei Einnahmen auch für Fördermaßnahmen verwendet werden sollen
- Regulatorische Maßnahmen
Ist von diesem Programm die Erfüllung der Kernanforderungen „umweltpolitische Wirksamkeit“ und „ökonomische Effizienz“ klimapolitischer Maßnahmen i.S. einer Erreichung der Umweltziele mit möglichst geringen Kosten zu erwarten?
Im Rahmen des Blogs ist allein schon eine Aufzählung der 64 durchnummerierten „Maßnahmen“, geschweige denn eine Kommentierung sämtlicher Vorschläge unmöglich. Daher wird der Fokus auf die aus umweltökonomischer Sicht bedeutendsten Fragen der CO2-Bepreisung und der Verwendung der gewonnenen Mittel gelegt und ansonsten auf die Aggregation der Maßnahmen abgestellt.
Das Kernelement der Bepreisung von CO2 betrifft die Sektoren Verkehr und Wärme. Hier soll zunächst von 2021 bis 2025 nach dem Wortlaut die Ausgabe von Zertifikaten zu festgelegten Preisen von zunächst 10 €/t bis zu 35 €/t im Jahr 2025 erfolgen. Auf einer Handelsplattform soll eine Auktionierung und der anschließende Handel der Zertifikate stattfinden. Werden dabei mehr Zertifikate ausgegeben, als es den Emissionszuweisungen für Deutschland entspricht, sollen Zuweisungen aus anderen europäischen Ländern zugekauft werden.
Faktisch entspricht dieses Verfahren einer steigenden CO2-Steuer, wobei nicht erreichte Minderungsziele durch Erwerb von Emissionsrechten in anderen EU-Staaten kompensiert werden sollen, was nationale Mindererfolge ausgleichen soll. Letzteres ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil damit ggf. zumindest teilweise die ohnehin fragwürdige Sektorzuordnung von Minderungszielen abgeschwächt wird. Diese schwächt die ökonomische Effizienz umweltpolitischer Maßnahmen ab, weil nicht zwingend die umweltpolitischen Gesamtziele mit geringsten Kosten erreicht werden.
Ab 2026 ist dann wohl ein Einstieg in ein tatsächliches Zertifikatehandelssystem geplant, wobei auch dann zunächst im Jahr 2026, aber auch ggf. danach keine völlig freie Preisbildung erfolgt, sondern Ober- und Untergrenzen für den Preis gelten sollen.
Hinzu kommt, im Papier etwas versteckt, die Ankündigung einer „konsequente(n) CO2-bezogene(n) Reform der Kfz-Steuer“, um den Neuwagenverkauf zu lenken. Zudem soll die Luftverkehrsabgabe erhöht werden, um den Umsatzsteuersatz für Fahrkarten im Bahnfernverkehr zu reduzieren.
Um nicht in den Ruf der „Abzockerei“ zu geraten, war immer wieder gefordert worden, die mit der CO2-Bepreisung erzielten Mittel an die Bürger zurückzugeben. Dazu sieht das Eckpunktepapier vor:
- Senkung der EEG-Umlage in geringer Größenordnung
- Bis 2026 befristete Anhebung der steuerlichen Entfernungspauschale ab dem 21. km um 5 Ct
- Erhöhung des Wohngeldes um 10 % und Begrenzung der Umlage von Kosten der CO2-Bepreisung auf Mieter
- Berücksichtigung erhöhter Energiekosten bei staatlichen Transferleistungen
Der weitaus größte Teil der aufgeführten weiteren Punkte zielt auf eine Verwendung der erzielten Mittel in einer Vielzahl von Detailmaßnahmen, die man getrost als Subventionen bezeichnen kann. Das betrifft etwa die Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden, des Austauschs von Heizungen, des Ausbaus der Lademöglichkeiten für batteriegespeiste E-Autos, Kaufprämien und Steuervorteile für E- und Hybrid-Fahrzeugen, Zuschüsse für den ÖPNV und Schienenverkehr, Landstrom in Seehäfen, Modernisierung von Binnenschiffen, Förderung von CO2-Senken (z.B. Wald), Förderung einer Dekarbonisierung der Industrie, Subventionierung der Ansiedlung einer Batteriezellenfertigung in Deutschland, weitere Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, Förderung der Verhinderung von Methanemissionen aus Abfalldeponien.
Es finden sich zudem einige regulatorische Maßnahmen, wie das künftig grundsätzliche Verbot des Einbaus von Ölheizungen, sowie planungs- und genehmigungsrechtliche Vereinfachungen in den Bereichen Schienenverkehr und Brückenbauten.
Nicht zu vergessen ist die gesetzliche Festschreibung von sektorbezogenen jährlichen Minderungszielen mit einer Nachsteuerungspflicht unter Einbeziehung technokratischer Gremien.
Umfangreiche Kritik ließe sich an zahlreichen Einzelstellen des Eckpunktepapiers vorbringen. Beispielhaft sei etwa auf die Lenkungsabsicht von Fahrzeugkäufen über die Kfz-Steuer verwiesen. Der Kauf von Fahrzeugen ist doch nicht das Problem, sondern deren Nutzung. Das beeinflusst man wegen der Korrelation von Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß über die Preiserhöhung des Treibstoffs. Eine zusätzliche Steuerung über die Kfz-Steuer kann sogar die CO2-Minderung abschwächen, denn bei der Kfz-Steuer handelt es sich um Fixkosten, die unabhängig von der Kilometerleistung anfallen. Je mehr das Fahrzeug gefahren wird, umso geringer ist die Belastung je Kilometer. Das kann einen Anreiz zu höheren Fahrleistungen schaffen. Eine intelligente Lenkungswirkung im Hinblick auf CO2 würde durch Umlage der Kfz-Steuer von Alt- und Neufahrzeugen auf die Treibstoffpreise erreicht. Bei der angestrebten Anpassung der Kfz-Steuer geht es aber vielleicht weniger um effiziente und intelligente Umweltpolitik als um emotionale Aspekte. Ich mag im Übrigen auch keine SUV.
Berücksichtigt man den Energieverbrauch bei der Batterieherstellung, kann deren geförderte Ansiedlung in Deutschland durchaus den CO2-Ausstoß in Deutschland erhöhen. Die abschließende Beurteilung hängt dabei auch davon ab, welche Produktionsschritte tatsächlich in Deutschland stattfinden sollen.
Die Vermeidung einer Weitergabe des CO2-Preises an Mieter ist ebenfalls kontraproduktiv, weil damit ein Anreiz zum sparsamen Umgang mit Wärmeenergie wegfällt.
Gemessen an den seit Jahrzehnten bekannten Erkenntnissen der umweltökonomischen Forschung sind regulatorische Maßnahmen und Subventionen als tendenziell wenig effiziente Maßnahmen einzuordnen. Betrachtet man die Verwendung der aus der CO2-Bepreisung zu erwartenden Mittel, dürfte ein Großteil in Subventionen mit fragwürdiger Wirkung verschwinden.
Die im Vorfeld angekündigte Rückgabe der Mittel aus der Bepreisung an die Bürger und Unternehmen ist wenig ausgeprägt. Durch eine Verzahnung von Preissteuerung und Subventionen besteht die Gefahr gesteigerter Ineffizienzen. Neben der ohnehin unzureichenden Rückgewähr der Mittel an die Zahler kommt die schiefe Rückverteilung erschwerend hinzu. Wohl aus klientelbezogenen Überlegungen dürfte die ohnehin bestehende relative Überbelastung des arbeitenden Mittelstands weiter zunehmen.
Dazu sind die vorgesehenen CO2-Preise für eine ausgeprägte umweltpolitische Wirkung zunächst eher gering. Man kann den Eindruck gewinnen, es gehe zunächst um die Zurschaustellung von Aktivität und die Gewinnung von Zeit bei Vermeidung von Protesten. Über die angekündigte drohende Nachsteuerung, bei der „Technokraten“ eine Rolle spielen sollen, dürfte dann in der Zukunft ordentlich nachgelegt werden, also eine Art „Salamitaktik“, wenn die Ziele wirklich erreicht werden sollen.
Was könnte man anders machen? Man könnte etwa den CO2-Preis relativ schnell als Marktpreis wirksam werden lassen. Die Zertifikate werden mengenmäßig vorgegeben und der Preis ergibt sich am Markt. Will man das nicht oder auch um die Effizienzverluste der Umweltpolitik durch sektorweise Betrachtung abmildern, könnte man den Preis der Zertifikate variabel am Marktpreis ausrichten, der sich im bestehenden europäischen Emissionshandel ergibt.
Die besonders umweltschädlichen Flugbewegungen müssen erheblich reduziert werden. Hierzu ist eine deutlich höhere Bepreisung des Flugverkehrs erforderlich als wohl vorgesehen, zumal eine stringente Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel derzeit nicht möglich scheint. Es erscheint doch sinnvoll, Urlaubsflüge deutlich stärker zu reduzieren als bspw. beruflichen Kfz-Verkehr. Dafür benötigt man Prohibitivpreise. Ja, ja, ich weiß: Das tut vielen weh, auch und gerade in der Klientel von sog. Ökoparteien. Zudem findet eine soziale Selektion der Flugreisenden statt. Das erscheint aber kaum vermeidbar, um umweltpolitische Erfolge in diesem Bereich zu erzielen. Die Steigerung des Flugverkehrs in der Vergangenheit, auch durch die politisch zu verantwortende Gewährung von Preisnachlässen z.B. am Frankfurter Flughafen oder Subventionierung von Flughäfen, ist ein umweltpolitisch widersinniges Signal.
Die erzielten Mittel aus einer CO2-Bepreisung sind vornehmlich an die Zahler direkt zurückzugegeben, etwa an die Bürger mit einer Kopfprämie. Das führt allein schon zu einer Umverteilung von „oben nach unten“. Damit ist es aber gut. Die ständig steigende Belastung der leistenden Mittelschicht darf nicht noch weiter durch diffuse Verteilungsmaßnahmen einer ineffizienten Umweltpolitik steigen. Unbeschadet bleibt die im Rahmen des grundgesetzlich geschützten Leistungsfähigkeitsprinzips notwendige Berücksichtigung von Aufwendungen im Steuerrecht, hier Fahrkosten der Pendler, in umweltpolitisch unverzerrter Höhe. 30 Ct je Entfernungskilometer scheinen heute ohnehin schon zu gering.
Systematische Schwächen der deutschen und europäischen Umweltpolitik werden aber mit derartigen Maßnahmen auch nicht verhindert. Es erscheint z.B. mehr als fragwürdig, dass ein batteriegespeistes E-Fahrzeug eine gemessen an den Kosten ausreichende CO2-Reduktion bringt. Es spricht sogar einiges dafür, dass möglicherweise in großem Umfang Mittel in eine Steigerung des CO2-Ausstoßes investiert werden.
Insgesamt gehe ich davon aus, dass wir es in Deutschland wieder einmal schaffen, zunächst viel Geld für eine kaum wirksame Umweltpolitik zu verausgaben. Anschließend kommt dann der Holzhammer im Rahmen der „Nachsteuerung“.
Lesen Sie hierzu auch meine weiteren Beiträge im Blog:
CO2-Minderung – Dirigismus oder wirksame Marktmechanismen?
CO2-Abgabe – Feigenblatt für den fortgeschrittenen Irrsinn einer populistischen Umweltpolitik?
Weitere Informationen:
Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 (auf bundesregierung.de)
Worin sehen Sie die regulative Wirkung von dem Handel mit Emissions-Rechten? Nach meiner Meinung hat dies zur Folge, dass die vorgenommenen Klimaziele sofort konterkariert werden: Falls wir unsere Vorgaben nicht erfüllen, kann ja immer noch ein Paket nicht benutzter Emissionsrechte von einer Ecke der Erde gekauft werden (z. B. von der Antarktis oder sonst wo?). Leider fallen die südamerikanischen Regenwälder jetzt aus, da auch dort die Ziele überschritten werden.
Herzlichen Dank für die Rückfrage. Zum Glück kann man sich nicht so einfach Zertifikate beschaffen, wie Sie es befürchten. Das Konzept erfordert zunächst eine Abgrenzung des Raums, für den eine Steuerung des CO2-Ausstoßes über Zertifikate erfolgen soll. Dass kann z.B. Deutschland sein. Dann wird eine maximale tolerierte Schadstoffmenge festgelegt und entsprechend viele Zertifikate kommen in den Umlauf. Ein CO2-Emittent steht nun vor der Frage, Zertifikate zu erwerben oder seine Emissionen zu reduzieren. Er wird die preiswertere Variante wählen. Wenn die preiswertere Variante der Erwerb von Zertifikaten ist, wird er diesen Weg gehen. Er wird die Zertifikate aber nur erwerben können, wenn ein anderes Wirtschaftssubjekt 2 in Deutschland ihm seine Zertifikate verkauft, weil der dafür erzielbare Preis höher ist als die Kosten für die Verringerung des CO2-Ausstoßes bei Subjekt 2. Da die Gesamtmenge an Zertifikaten vorgegeben ist, erreicht man einerseits das angestrebte Emissionsziel, andererseits sorgt der Marktmechanismus dafür, dass die erforderliche Reduktion des CO2-Ausstoßes durch das Wirtschaftssubjekt erfolgt, das diese am kostengünstigsten durchführen kann. Damit wird das angestrebte Reduktionsziel am kostengünstigsten erreicht.
Man sollte die räumlich Abgrenzung aber nicht zu klein vornehmen, weil dadurch die Effizienz der Maßnahme sinkt. Anzustreben wäre zumindest die Bildung eines Handelsraumes in der EU für sämtliche CO2-Emissionen, so wie es für einen Teil des CO2-Ausstoßes schon seit vielen Jahren funktioniert. Theoretisch optimal wäre natürlich ein weltweiter Handel. Das dürfte aber kaum praktikabel sein.