Häufig vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass schon kleine Unstimmigkeiten in der Buchführung dazu führen, dass die Buchführung insgesamt nicht ordnungsgemäß ist. Insbesondere in der Betriebsprüfung sieht man sich häufig mit diesem Vorwurf konfrontiert. Tatsächlich ist das aber Quatsch!
Ganz aktuell zeigt dies das Finanzgericht Münster anhand zwei aktueller Entscheidungen. In der ersten Entscheidung geht es um einen Kneipier der die in den vollständig vorliegenden Z-Baums ausgewiesen Einnahmen unter Ergänzung von Ausgaben und Bankeinzahlung in eine Excel-Tabelle eintrug. Zudem nahm der Unternehmer eine Sonderveranstaltung teil, bei denen Erlöse aus dem Verkauf über eine Außentheke erzielt wurden, bei der es teilweise nur eine offene Ladenkasse gab, für die keine täglichen Kassenberichte geführt wurde.
Das Finanzamt kam kurzerhand zu dem Schluss, dass die gesamte Buchführung zu verwerfen sei und führte Hinzuschätzungen von ca. bis zu 10 % des jährlichen Umsatzes durch. Erst das FG Münster mit Urteil vom 29.4.2021 (Az: 1 K 2214/17 E, G, U, F) betrachtete die Problematik etwas differenzierter. Klar und deutlich wurde herausgearbeitet, dass die Buchführung nur insoweit ordnungswidrig ist, als dass bei der offenen Ladenkasse keine täglichen Kassenberichte eingesetzt wurden. Insoweit sind jedoch die einzelnen Mängel für jede verwendete Kasse gesondert zu beurteilen, weshalb die mangelhafte Führung der offenen Ladenkasse nicht auf die Verwendung der elektronischen Registrierkassen ausstrahlt. Daher reduzierte das Finanzgericht die Hinzuschätzungen auf ca. 0,6 % des jährlichen Umsatzes.
Eine weitere Entscheidung des FG Münster vom 9.3.2021 (Az: 1 K 3085/17 E, G, U) dokumentiert ebenso eindrucksvoll, dass das Finanzamt häufig jedes Maß bei Hinzuschätzungen verloren hat. Vorliegend stellte die Betriebsprüfung fest, dass während des dreijährigen Prüfungszeitraums (über 1000 Kalendertage!) an fünf Tagen Umsätze von knapp 100 € (!) nicht in der Kasse erfasst worden sind. Zudem wurde an neun weiteren Tagen Kassenbewegung erst ein bis wenige Tage verspätet in der Kasse verbucht.
Wenn sich in einem Prüfungszeitraum von deutlich über 1000 Tagen an 14 Tagen Fehler einschleichen, war dies Grund genug für den Fiskus die komplette Buchführung zu verwerfen und mittels Ausbeutekalkulation in der Hinzuschätzung die erklärten Gewinne zu verdreifachen.
Erfreulicherweise sahen dies die Richter nicht so wie das Finanzamt und urteilten, dass die vom Betriebsprüfer festgestellten Kassenprüfungsmängel nicht dazu führt, dass die Aufzeichnung insgesamt verworfen werden müssen. Wie der logische Menschenverstand schon darlegt, ergibt sich dies zum einen aus der geringen Häufigkeit der Mängel im Verhältnis zu den gesamten Geschäftsvorfälle und zum anderen aus der geringen Gewinnauswirkung von weniger als 100 €. Das Gericht verwarf daher die Verdreifachung des Gewinns durch die Finanzverwaltung und schätzte lediglich einen Umsatz von knapp 100 € hinzu.
Beide Entscheidungen zeigen, dass die Finanzverwaltung häufig über das Ziel hinausschießt. Zudem kann nicht oft genug wiederholt werden, dass nicht jeder kleine Mangel zur kompletten Verwerfung der Buchführung und maßlosen Hinzuschätzungen führt.
Für weitere Informationen zu diesen Urteilen lesen Sie die NWB Online-Nachrichten:
Klasse Artikel, den ich gern einige Bekannten aus der Buchhaltung teilen möchte ;-)