Bei der Verschmelzung einer gewinnträchtigen mit einer verlustbehafteten Kapitalgesellschaft wird regelmäßig darauf geachtet, dass die Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft verschmolzen wird – und nicht umgekehrt. Nur so bleiben die Verlustvorträge der Kapitalgesellschaft erhalten und können weiter genutzt werden. Im anderen Fall würde § 12 Abs. 3 UmwStG greifen, das heißt, ein Verlustvortrag würde untergehen. Nun hat erfreulicherweise das Hessische Finanzgericht mit Urteil vom 29.11.2017 (4 K 127/15) entschieden, dass in der gewählten Verschmelzungsrichtung kein Gestaltungsmissbrauch zu sehen ist.
Eine unangemessene Gestaltung scheide deshalb aus, weil ihr die Existenz von § 12 Abs. 3 UmwStG und § 8 Buchst. c KStG entgegenstünden. So weit, so gut – wenn das FG nicht die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hätte. Wenn das Finanzamt diese einlegt, muss jeder steuerliche Berater seine Mandanten auf ein bestehendes Risiko in den Verschmelzungsfällen hinweisen. Ich halte es zwar nicht für sehr groß. Aber vor Gericht und auf hoher See …. Sie kennen das.
In dem Urteilsfall ging es übrigens um eine recht komplizierte Struktur unter Zuhilfenahme von Swaps. Nach Ansicht des FG sprächen beachtliche Gründe für das Vorliegen einer modellhaften Gestaltung durch das bewusste Stehenlassen der Swaps trotz Erreichens des wirtschaftlichen Sicherungszwecks. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Befürworter einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen sein. Man kann es auch anders sehen: Wohl wieder einmal könnten eventuell alle steuerlichen Berater und ihre Mandanten darunter leiden, dass einige Berater eine Steuergestaltung auf die Spitze getrieben haben.
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Lieber Herr Herold,
ich verfolge Ihre Beiträge gerne, möchte jedoch vorliegend dem Inhalt des dargestellten widersprechen. Ich sehe Ihnen gerne nach, dass es sich um einen „Schnellschuss“ handelte, möchte jedoch andere aufmerksame Leser Ihres Blogs nicht ins Messer laufen lassen. Eine Hinweis-Pflicht in Verschmelzungsfällen ist meines Erachtens, da das Urteil nun beim BFH anhängig ist, weiterhin NICHT gegeben, wenigstens nicht bei Fällen die in 2017 oder 2018 spielen.
Bei vergangenen Fällen, in denen solche Gestaltungen (sic!) zur Cashbeschaffung (vgl. Schnell / Philipp, DB 20.04.2018, 922-923) gedient haben, werden sowohl Mandanten als auch Banken das Risiko bereits kennen (weil sie initial über die Blödheit des Steuergesetzgebers gelacht haben). Mit Einführung des AmtshilfeRLUmsG in 2013 ist dieses Lachen jedoch verstummt. Rein auf Basis der Analyse des Urteils möchte ich die Gestaltung kurz skizieren:
Die D-GmbH (im Urteilsfall) eine Gewinngesellschaft gehört zum Konzern der C-AG (einer Bank) und hat zwischen 1.7 (!) und 31.12. des Vorjahres einen vor Steuer Gewinn von 100 gemacht und ordnungsgemäß eine Steuerrückstellung von 30 gebildet. Sie ist voll Eigenkapitalfinanziert und hat Finanzanlagen (Swaps oder was auch immer) für 650 gekauft und konnte zum 31.12. die Swaps für 750 verkaufen. Die C-AG könnte das Geld ausschütten und würde zunächst auf 70 gem. § 8b KStG 5% Schachtelstrafe zahlen und für den Rest das Einlagekonto verwenden können, wodurch ihr – nach §8b Steuer – 718,95 zufließen würde.
Die A-GmbH (im Urteilsfall) eine Verlustgesellschaft hat Finanzierungsprobleme. Die Hausbank, C-AG, bietet ihr nun folgendes Geschäft an: Kauf die D-GmbH und zahl mir dafür einen Kaufpreis von 735. Dieser Vorschlag ist auf drei Seiten absurd und rein steuerlich motiviert, wie zu zeigen sein wird. Erstens hat die A-GmbH Finanzierungsprobleme, warum soll sie grade in dieser Lage eine Akquisition durchführen, wo doch schon Gesellschafter (vgl. DB a.a.O.) und Banken keine Finanzierung mehr geben wollen. Zweitens, und das ist gravierender, warum sollte die D-GmbH auch noch einen überhöhten Kaufpreis an einen fremden Dritten zahlen? Die D-GmbH ist doch maximal (750 Cashbestand abzüglich der Steuerschulden i.H.v. 30 =) 720 wert. Drittens wie soll die A-GmbH das bezahlen?
Die Lösung ist ganz einfach und wurde im Urteilsfall auch genauso gewählt: Die A-GmbH verschmilzt die D-GmbH auf sich und verrechnet die im Rückwirkungszeitraum, 1.7.-31.12., angefallenen Gewinne mit den laufenden Verlusten des Vorjahrs und darf, nach Verschmelzungsbilanzierung, die Steuerrückstellung auflösen, somit ist die D-GmbH aus „Käufersicht“ 750 wert. Nicht destotrotz kommt es zu einem handelsrechtlichen Übernahmeverlust (außer Ansatz, § 12 Abs. 1 UmwStG) i.H.v. 15 (entspricht dem Überpreis, s.o.) jedoch durch den Wegfall der Steuerrückstellung von 30 ergibt sich „per Saldo“ ein Gewinn von 15. Dieser wirkt sich, wie gleich zu zeigen, direkt auf den Liquiditätsbestand aus. Die A-GmbH kann die Akquisition nämlich, eigentlich, nicht stemmen. Hier müsste jetzt die C-AG eingreifen und der A-GmbH ein Akquisitionsdarlehen geben, damit diese den Kaufpreis i.H.v. 735 zahlen kann. Die A-GmbH tilgt das Darlehen am (z.B.) übernächsten Tag (mit den erworbenen Cash Reserven der A-GmbH), wenn es überhaupt zur Auszahlung kam. Das Residuum i.H.v. 15 (750-735) bleibt ihr als Liquiditätsspritze erhalten.
Vorteile für beide Seiten:
1) C-AG realisiert einen §8b steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von (735 – 650 =) 85, mithin einen Cash-Zufluss von 733,73 (anstatt, s.o. 718,95).
2) A-GmbH realisiert einen Cash Zufluss von 15 (s.o.), reduziert ihren (potentiellen oder historischen) Verlustvortrag um 30, kann aber ein Verschmelzungsergebnis von +15 zeigen (Ertrag aus Auflösung Rückstellung 30, „Badwill“ 15).
Diese Gestaltung ist „heutzutage“ wegen § 2 Abs. 4 S. 3 – 6 UmwStG nicht mehr möglich, weshalb das Lachen verstummte. Da, hoffentlich, auch kein Kollege (mehr) eine solche Gestaltung berät, sollte es auf Hinweispflichten nicht ankommen.
Herzliche Grüße
A.
Vielen Dank für Ihren klarstellenden Hinweis. Sie haben natürlich recht, dass für die so genannten Rückwirkungsfälle § 2 Abs. 4 S. 3 – 6 UmwStG gilt. Ich hatte bei meinem Blog allerdings eher die Frage des § 12 Abs. 3 UmwStG i. V. mit § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG im Blick, also der Verschmelzungsrichtung im Hinblick auf noch vorhandene Verlustvorträge. Und hier bin ich nach wie vor der Ansicht, dass trotz des BFH-Urteils vom 18. 12. 2013 – I R 25/12 [BAAAE-62146] nun eine gewisse – wenn auch kleine – Rechtsunsicherheit eingetreten ist.
Das heißt: Wird eine gewinnträchtige auf eine verlustbehaftete GmbH verschmolzen (und nicht umgekehrt), sollten dafür neben steuerlichen auch wirtschafliche Gründe vorliegen.
Viele Grüße
Christian Herold