Eltern erhalten das Kindergeld für ein behindertes Kind ohne Altersbegrenzung, also über das 18. Lebensjahr hinaus, wenn dieses wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Auch wenn jeder Fall natürlich anders liegt und für sich zu beurteilen ist, so soll nachfolgend aber dennoch ein positives Urteil des FG Hamburg vorgestellt werden, da es für viele Eltern von Bedeutung sein kann: Nach Auffassung des FG Hamburg kann das Asperger-Syndrom erheblich mitursächlich dafür sein, dass dein Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (Urteil vom 12.11.2020, 6 K 314/19).
Der Sachverhalt: Der Sohn der Klägerin wurde 1997 geboren. Im Jahre 2010 wurde bei dem Kind das Asperger-Syndrom diagnostiziert. Zusätzlich leidet der Sohn unter einer Aufmerksamkeitsstörung. Nachdem er die Schule mit dem Hauptschulabschluss beendet hatte, begann er verschiedene Berufsausbildungen und berufsvorbereitende Maßnahmen, die er jeweils nach kurzer Zeit abbrach. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab August 2019 auf. Der Sohn der Klägerin sei zwar seit seiner Geburt behindert. Nicht nachgewiesen sei jedoch die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Die Begründung des Gerichts: Ein behindertes Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Zur Bemessung des Grundbedarfs ist an den steuerlichen Grundfreibetrag anzuknüpfen sowie gegebenenfalls an einen behinderungsbedingten Mehrbedarf. Der monatliche Verdienst des Kindes lag im Streitzeitraum bereits unterhalb des Grundfreibetrages. Indiziell für die Ursächlichkeit der Behinderung spreche der Grad der Behinderung (hier: 50) sowie die Tatsache, dass er keine – nicht behinderungsspezifische – Berufsausbildung abgeschlossen hat. Auf dem Arbeitsmarkt sei der aufgrund seiner Behinderung nur schwer vermittelbar.
Hinweise
Wenn es um die Beurteilung der Frage geht, ob ein Kind tatsächlich nicht in der Lage ist, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen, können die Familienkassen recht hart sein. Auch hinsichtlich der Entscheidung, ob eine Behinderung tatsächlich vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist, gibt es oft Streit mit den Familienkassen. Zum letzten Punkt hat der BFH kürzlich das folgende Urteil gefällt:
Ein Gendefekt stellt nur dann eine solche Behinderung dar, die auch im Erwachsenenalter zum dauerhaften Anspruch auf Kindergeld führt, wenn das Kind dadurch vor Erreichen der Altersgrenze in seinen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seiner seelischen Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist (BFH-Urteil vom 27.11.2019, III R 44/17). Im zugrundeliegenden Fall hielt der BFH die bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts für nicht ausreichend. Dieses müsse nun nähere Feststellungen dazu treffen, ob der Gendefekt bereits vor Erreichen der Altersgrenze zu Funktions- und Teilhabebeeinträchtigungen bei der Tochter des Klägers geführt hatte.
Und noch ein Punkt: Zwar muss die Behinderung vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein muss, um Kindergeld zu erhalten. Das heißt aber nicht, dass auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor dem 25. Lebensjahr entstanden sein muss (BFH-Urteil vom 9.6.2011, BStBl 2012 II S. 141).