Kürzlich habe ich einen Blog-Beitrag mit der Überschrift „Wann wird für ein Kind im Praxisjahr Kindergeld gewährt?“ veröffentlicht. Darin bin ich auf das aktuelle BFH-Urteil vom 10.4.2019 eingegangen, mit dem die obersten Finanzrichter eine – positive – Entscheidung des FG Nürnberg zurückgewiesen haben.
Der BFH konnte in der Sache zwar nicht abschließend entscheiden. Allerdings hat er die Kriterien für eine weitere Prüfung festgelegt. Für die Gewährung von Kindergeld während eines Praxisjahres kommt es danach darauf an, dass die Ausbildungsmaßnahmen im Vordergrund stehen und nicht der reine Erwerbscharakter. Für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen u.a. das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes, die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt. Interessanterweise hat nun das FG Münster in einem sehr ähnlichen Sachverhalt das Kindergeld gewährt – und zwar ohne nähere Auseinandersetzung mit den Aussagen im genannten BFH-Urteil, obwohl dieses dem FG Münster eigentlich hätte bekannt sein müssen.
Sowohl in dem BFH-Fall als auch in dem Fall des FG Münster ging es um die Söhne von Landwirten, die nach ihrer Ausbildung zum Landwirt einen weiteren Abschluss anstrebten (“Landwirtschaftlicher Betriebsleiter“ bzw. „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“). Vor dieser weiterführenden Ausbildung ist jeweils ein Praxisjahr vorgeschaltet worden. In beiden Fällen ist das Kindergeld von den Familienkassen mit der Begründung abgelehnt worden, dass es sich bei dem Praxisjahr vorrangig um ein reines Sammeln an Berufserfahrung handele. Wie erwähnt haben die jeweiligen Finanzgerichte Nürnberg und Münster das Kindergeld hingegen gewährt, der Nürnberger Fall ist aber beim BFH gelandet. Dieser wiederum hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Die Vorinstanz muss nun prüfen, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen (Ausbildungscharakter) oder die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen (Erwerbscharakter) im Vordergrund stand bzw. ob ein Ausbildungsdienstverhältnis vorlag.
Unerheblich sind laut BFH eventuelle Erläuterungen auf der Homepage der Schule (hier: der Landwirtschaftsschule), nach denen auch Veranstaltungen durch die Schule stattfinden und das Praxisjahr durch die Lehrkräfte der Landwirtschaftsschule begleitet und betreut wird. Das FG Münster hingegen hat sich mit derlei Feinheiten gar nicht aufgehalten, sondern maßgebend auf die vorgelegten Praktikumsbescheinigungen und einen Praktikantenvertrag abgestellt.
Dies ist begrüßenswert und hoffentlich wird auch das FG Nürnberg in ähnlicher Weise bei der erneuten Verhandlung entscheiden. Seltsam ist es aber schon, dass das FG Münster die Revision nicht zugelassen hat. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass das Finanzamt die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt hat (Az. III B 145/19).
Weitere Informationen:
- Finanzgericht Nürnberg v. 17.01.2018 – 7 K 826/16
- BFH v. 10.04.2019 – III R 37/18 -nv-
- FG Münster v. 08.08.2019 – 4 K 3925/17 Kg