Kindergeld bei neben der Ausbildung ausgeübter Erwerbstätigkeit

Einheitliche Erstausbildung versus Weiterbildung


Für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Dabei können mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammen zu fassen sein. Von einer solchen einheitlichen Erstausbildung muss jedoch eine berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung abgegrenzt werden.

Dass dies nicht immer einfach und daher auch streitbar ist, zeigt der Fall, über den der BFH am 11.12.2018 (AZ: III R 26/18) zu urteilen hatte.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist die Mutter einer am 05.06.1993 geborenen Tochter (T). Am 01.10.2012 nahm ihre Tochter ein Bachelorstudium im Studiengang Betriebswirtschaftslehre an einer Dualen Hochschule auf. Die hierzu gehörende praktische Ausbildung erfolgte vom 01.10.2012 bis zum 30.09.2015 bei der X AG. Das Bachelorstudium beendete T am 30.09.2015 erfolgreich mit dem Erwerb des Bachelor of Arts.

Die Tochter schloss mit der X AG einen Arbeitsvertrag ab, aufgrund dessen sie dort seit dem 01.10.2015 vollzeitbeschäftigt ist. Zudem meldete sich T für ein am 01.09.2015 beginnenden Masterstudiengang im Studiengang Wirtschaftspsychologie (Teilzeit) bei der A Hochschule (AH) an, das mit dem Master of Science abgeschlossen wird.

Die Beklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung per Bescheid ab Oktober 2015 auf.

Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass der Masterabschluss für die angestrebte Führungsposition bei der X AG oder deren Tochterunternehmen benötigt werde, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage allerdings statt, hob den Ablehnungsbescheid auf und verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für T für den Zeitraum Oktober 2015 bis November 2016 zu gewähren.

Dann kam der BFH…

 Der BFH sah die Revision als begründet an

Für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a SGB IV sind daher insoweit unschädlich.

Die den Erstausbildungsbegriff begrenzenden Kriterien sieht der III. Senat dabei vor allem darin, dass es sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln, der auf einen Abschluss ausgerichtet ist, der in Form einer Prüfung erfolgt. Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Hierdurch soll insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemein bildendenden Schule erfolgen.

Mehrere Ausbildungsabschnitte können aber durchaus eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll. Zudem muss das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden können.

In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Es kommt hierbei vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und auch in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

Abgrenzung zu Weiterbildungen

Achtung! An einer Ausbildungseinheit fehlt es allerdings, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, und diese nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient. Somit liegt keine einheitliche Erstausbildung vor, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Ausbildungsabschluss eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten.

Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden.

Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht.

Ist das Beschäftigungsverhältnis jedoch bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Auch kommt es darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Führt das Kind beispielsweise neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an der Universität durch, kann auch weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen, so der BFH.

Von Bedeutung ist ebenfalls, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit, kann das für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen.

In die Gesamtbetrachtung ist einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung.

Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur „neben der Berufstätigkeit“ durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.

Fazit

Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Ausbildungsabschlusses eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, ist zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen.

Nach dem Urteil des BFH ist eine einheitliche Erstausbildung nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich zudem die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung bzw. den Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Dabei kommt es insbesondere darauf an, auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat, in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stundengrenze überschreitet, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen, ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und inwieweit die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt aufeinander abgestimmt sind.

Der für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung notwendige sachliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfällt jedoch nicht notwendigerweise.

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