Ab 2012 wurden die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bei Berufsausbildung oder im Studium grundlegend geändert. Waren zuvor die Einkünfte und Bezüge des Kindes zu ermitteln und zu erklären, um das Kindergeld weiter zu erhalten, wurde das Kind nunmehr unabhängig von Einkünften oder Bezügen bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgeht.
Ziel der Reform war eine anwenderfreundliche, einfache vollziehbare Regelung des Kindergeldes bei Berufsausbildung oder im Studium. In der Begründung zum Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass die vormalige Berechnung der Einkünfte und Bezüge in vielen Fällen aufwendig und kompliziert gewesen sei – quasi eine „kleine Steuererklärung“. Die Neuregelung sei dagegen mit einer erheblichen Vereinfachung der Anspruchsvoraussetzungen verbunden, weil komplizierte und umfangreiche Angaben zu den Einkommensverhältnissen der Kinder entfallen.
In der Umsetzung ist der Vereinfachungsversuch mit dem komplexen Begriff der erstmaligen Berufsausbildung bzw. des Erststudiums in § 32 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG kollidiert und dabei arg lädiert worden. Dies legen zumindest die 28 anhängigen Revisionsverfahren (Stand 1. Januar 2019) zur mehraktigen Berufsausbildung nahe. Ungezählt bleibt zusätzlich die erhebliche Anzahl finanzgerichtlicher Verfahren bzw. Rechtsbehelfsverfahren, die sich in Bearbeitung befinden bzw. im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren ruhen. Bereits in 14 Revisionsentscheidungen hat der BFH ferner schon grundsätzlich über den Begriff der erstmaligen Berufsausbildung befinden müssen.
Das Streitpotenzial ist demnach erheblich. Im Ergebnis wurden die Streitfragen weg von den Einkünften und Bezügen des in Ausbildung befindlichen Kindes hin zu Umfang und Dauer verschiedener Ausbildungsvarianten verlegt. Praktikabilität und Vollzug der Neuregelung sind für den Anwender derzeit eingeschränkt.
Fazit: Die Neuregelung zum Kindergeld bei Berufsausbildung hat ihr Vereinfachungsversprechen – zumindest bisher – nicht einlösen können.
Weitere Informationen:
Gesetzesbegründung zum Steuervereinfachungsgesetz 2011, BT-Drs. 17/5125, 41