Vor verschiedenen Finanzgerichten wehren sich Eigentümer nach wie vor gegen die Grundstücksbewertung nach der Grundsteuerreform und wollen vor das BVerfG ziehen. Wie ist der Sachstand und was können Grundeigentümer aktuell tun?
Hintergrund
Das BVerfG (BVerfG 10.4.2018, 1 BvL 11/14) hat im April 2018 entschieden, dass das bisherige Bewertungsrecht verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber deshalb bis 31.12.2019 ein neues Gesetz erlassen muss. Den Handlungsauftrag des BVerfG hat der Bundesgesetzgeber Ende 2019 mit drei Gesetzen erfüllt (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 15.11.2019, Grundsteuer-Reformgesetz v. 26.11.2019 und Grundsteuer C-Gesetz v. 30.11.2019).
Der Bundesgesetzgeber hat 2019 mit dem neuen GrStRefG ein Bundesmodell für die künftige Grundstücksbewertung zur Verfügung gestellt, von diesem Modell machen acht Länder (Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen) Gebrauch. Saarland und Sachsen wenden ebenfalls das Bundesmodell an, weichen aber bei den Steuermesszahlen ab. Nach der mit der Grundgesetzänderung beschlossenen Länderöffnungsklausel können die Länder vom Bundesmodell abweichen und eigene Bewertungsregeln beschließen; davon haben fünf Bundesländer Gebrauch gemacht, nämlich Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen.
Überblick über die aktuellen Verfahren vor den Finanzgerichten
In vielen Fällen haben Eigentümer Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid eingelegt, der nach dem Grundsteuermessbescheid am Ende zum Grundsteuerbescheid der jeweiligen Kommune führt. Inzwischen sind finanzgerichtliche Verfahren sowohl gegen die Bewertungsmodelle der Länder als auch gegen das Bewertungsmodell des Bundes anhängig:
Grundsteuer-Ländermodelle:
In Baden-Württemberg (FG Baden-Württemberg – 8 K 2368/22) sollen grundsätzliche Fragestellungen zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Landesgrundsteuergesetzes geklärt werden. Mit einer zweiten Klage (FG Baden-Württemberg – 8 K 2491/22) sollen Fragen der Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage für die neue Grundsteuer in Baden-Württemberg geklärt werden.
In Bayern hat das FG Nürnberg (v. 8.8.2023 – 8 V 300/23) in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren das bayerische Grundsteuermodell für verfassungsgemäß erklärt. Nach einer summarischen Prüfung konnte das FG keine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 123 Abs. 1 Bay.Verf.) erkennen, zumal sich dieses Prinzip nur auf Personalsteuern bezieht.
Grundsteuer-Bundesmodell:
In Sachsen hat das FG Sachsen (24.10.2023 – 2 K 574/23) in einem Hauptsachverfahren die Feststellung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 und des Grundsteuermessbetrags auf den 1.1.2025 für rechtmäßig erklärt. Beim FG Berlin-Brandenburg sind mittlerweile drei Klagen (3 K 3026/23, 3 K 3170/22 sowie 3 K 3018/23) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Bewertung zur Feststellung des Grundsteuerwertes zum 1.1.2022 im Bundesmodell anhängig.
In Rheinland-Pfalz sind seit März 2023 insgesamt vier Klagen gegen das neue Grundsteuer- und Bewertungsrecht beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz anhängig (FG Rheinland-Pfalz- 4 K 1189/23, 4 K 1190/23, 4 K 1217/23 und 4 K 1205/23), in denen die Verfassungsmäßigkeit des neuen (Bundes-)Bewertungsrechts bezweifelt wird. Am 23.11.2023 hat das FG Rheinland-Pfalz in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) zu den neuen Grundsteuer-Bewertungsregeln entschieden, dass die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen sei (§ 361 AO).
Was können Eigentümer jetzt tun?
Inzwischen sind die neuen Grundsteuer-Regeln schon auf dem Radar der Finanzgerichte, und das obwohl das neue Rechts erst ab 1.1.2025 greift. Auf anhängige Finanzgerichtsverfahren können sich aber in den Ländern mit abweichenden Bewertungsregeln nur die Grundbesitzer berufen, die vom jeweiligen Landesrecht auch betroffen ist; andernfalls fehlt es an der erforderlichen rechtlichen Beschwer (§ 350 AO). Soweit aber eine solche Betroffenheit gegeben ist und parallele Klageverfahren vor dem Finanzgericht des Landes anhängig sind, können Grundbesitzer Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens (§ 363 Abs.2 AO) beantragen. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Grundsteuer abermals vor dem BVerfG landet.
Weitere Informationen:
- Stöckel, Vergleich der Grundsteuergesetze der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen, NWB 3/2024 S. 165
- NWB Online-Nachricht: Grundsteuer | Zahl der Einsprüche gegen Grundsteuerwert- oder Grundsteuermessbetragsbescheide nimmt stetig zu (FinMin Thüringen)