Das Landgericht München I hat zwei Klagen (v. 28.4.2021 – 15 O 7232/20 und 15 O 10858/20) gegen den Freistaat Bayern abgewiesen, die auf Schadenersatz von Einnahmeausfällen nach staatlichen, coronabedingten Schließungsanordnungen gerichtet waren.
Da bereits weitere Zivil- und Landgerichte ähnlich entschieden haben stellt sich auf Bundesebene die Frage: Sollte in der Corona-Krise das Entschädigungsrecht angepasst werden?
Sachverhalt und Entscheidung
Geklagt hatten die Betreiberin einer Kartbahn (Streitwert ca. 11.000.- Euro) sowie der Betreiber einer Musik- und Filmproduktion (Streitwert ca. 6.000.- Euro).
In beiden Fällen haben die Kläger vorgetragen, durch staatliche Betriebsschließungsanordnungen nach einer Allgemeinverfügung bzw. der Bay.InfSchMV anlässlich der Corona-Pandemie Einnahmeausfälle erlitten zu haben, die nicht vollständig durch sogenannte „Corona-Soforthilfen“ aufgefangen wurden.
Das LG München I (v. 28.4.2021 – 15 O 7232/20 und 15 O 10858/20) hat beide Klagen gegen den Freistaat Bayern abgewiesen, die auf Schadenersatz von Einnahmeausfällen nach coronabedingten Schließungsanordnungen gerichtet waren. Es bestehe weder ein normierter Schadenersatzanspruch nach dem IfSG noch auf anderer gesetzlicher Grundlage ein Entschädigungsanspruch. § 65 IfSG setze voraus, dass die ergriffenen Maßnahmen der Infektionsabwehr dienten, die staatlichen Maßnahmen im Streitfall seien jedoch mit dem Ziel der Infektionsbekämpfung begründet.
Der Gesetzgeber habe im IfSG bewusst zwischen Maßnahmen der Infektionsabwehr und solchen der Infektionsbekämpfung unterschieden und daran unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft. Aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff komme eine Entschädigung ebenso wenig in Betracht wie nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839 BGB), weil es hierfür an Verschulden fehlt.
Einordnung der Entscheidungen
Zuvor hatte bereits andere Zivilgerichte Schadenersatzansprüche gegen den Staat bei staatlichen Betriebsschließungen versagt. In gleichem Sinn haben auch verschiedene Landgerichte entschieden (*s.u.). Eine Entschädigung bei (präventiven) Infektionsbekämpfungsmaßnahmen sieht das IfSG bislang nur in § 56 Abs. 1 IfSG für den Verdienstausfall, ferner in den besonderen Fällen des § 56 Abs. 1a IfSG vor für die Zeit von Maßnahmen während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
Brauchen wir eine gesetzliche Erweiterung des Schadenersatz- und Entschädigungsrechts während Corona?
Sämtliche Rechtsverordnungen der Bundesländer sehen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die Schließung von Geschäftsbetrieben bestimmter Wirtschaftsbranchen vor.
Damit korrespondieren für die hiervon betroffenen Gewerbetreibenden regelmäßig massive Umsatzeinbrüche. Die Corona-Finanzhilfen sind nur Billigkeitsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Corona-Finanzhilfen sind grundsätzlich der Höhe nach limitiert, einen echten Schadensausgleich gibt es nur engen Ausnahmefällen.
Für den großen Rest der nachteilig betroffenen Gewerbetreibenden, die weder einen Unternehmerlohn noch eine Kompensation des Gewinnausfalls erhalten, stellt sich deshalb zu Recht die Frage, ob coronabedingte Schadensfolgen ausnahmslos dem wirtschaftlichen Unternehmerrisiko zugerechnet werden können.
Dies ist meines Erachtens unbillig, so dass sich bei weiter anhaltendem Lockdown mit dem Verbot wirtschaftlicher Betätigung die Forderung berechtigt erscheint, dass der Gesetzgeber auch für Selbständige und Gewerbetreibende eine gesetzliche Kompensationsregelung schafft, die einem (limitierten) Schadenersatz gleichkommt.
Quellen
Pressemitteilung 11/2021 – Bayerisches Staatsministerium der Justiz (bayern.de)
LG Würzburg (v.31.3.2021 – 64 O 1989/20 Öff.)
LG Hannover (v. 9.7.2020 – 8 O 2/20) und das
LG Heilbronn (v.29.4.2020 – I 4 O 82/20)