Keine Inflationsausgleichsprämie während der Elternzeit – ist das zulässig?

Bei öffentlichen Arbeitgebern hatte eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Essen offenbar für Unruhe gesorgt. Dieses hatte entschieden, dass die Inflationsausgleichsprämie auch Eltern in Elternzeit zustehe. Zumindest gelte dies, wenn andere Arbeitnehmer im selben Betrieb die Prämie trotz Bezuges von Krankengeld erhalten. Dann liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vor (ArbG Essen, Urteil vom 16.4.2024, 3 Ca 2231/23).

Zur Freude der Arbeitgeber und zum Leidwesen der betroffenen Arbeitnehmer hat das LAG Düsseldorf die Entscheidung nun aber revidiert. Ein Tarifvertrag darf den Inflationsausgleich während der Elternzeit ausschließen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.8.2024, 14 SLa 303/24).

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist bei einer Kommune im Technischen Dienst beschäftigt. Sie befand sich vom 14.6.2022 bis zum 13.4.2024 in Elternzeit. Ab dem 14.12.2023 bis zum Ende der Elternzeit arbeitete sie mit 24 Wochenstunden in Teilzeit (Vollzeit = 39 Wochenstunden). Der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendende Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) sah im Juni 2023 einen Inflationsausgleich von einmalig 1.240 Euro und in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 von monatlich 220 Euro vor.

Die Kommune zahlte der Klägerin diesen Inflationsausgleich nur für die Monate Januar und Februar 2024 in Höhe von 135,38 Euro (24/39 von 220 Euro). Die Klägerin ist der Ansicht, dass die tariflichen Voraussetzungen in §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TV Inflationsausgleich, wonach an mindestens einem Tag ein Anspruch auf Entgelt bestanden haben muss, sie als Arbeitnehmerin in Elternzeit unzulässig wegen des Geschlechts diskriminiere. Es liege eine mittelbare Diskriminierung vor, weil Mütter länger in Elternzeit gingen als Väter. Diese Ungleichbehandlung sei mit dem Zweck des Inflationsausgleichs nicht vereinbar. Vielmehr sei sie in Elternzeit in besonderem Maße von den steigenden Preisen betroffen. Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen und verweist u.a. auf die Tarifautonomie. Das Arbeitsgericht Essen gab der Arbeitnehmerin Recht, doch das LAG ist anderer Auffassung.

Die Begründung:

Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit – ausgenommen die Teilzeittätigkeit – ruht, erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung nicht. Sie hat keinen Entgeltanspruch. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt und stellt keine mittelbare Diskriminierung dar, weil der tarifliche Inflationsausgleich auch einen Vergütungszweck verfolgt. Er ist arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Fehlt es daran völlig, weil nicht an einem Tag ein Entgeltanspruch besteht, besteht kein Anspruch.

Soweit Beschäftigte, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, einen Inflationsausgleich erhalten, erfolgt dies aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten. Für diese durften die Tarifvertragsparteien andere Regelungen vorsehen als für Beschäftigte in Elternzeit. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit ist im Regelfall planbar, die eigene oder die Erkrankung des Kindes tritt dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf.

Die Kammer hat der Klägerin lediglich aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit für den Monat Dezember 2023 einen Inflationsausgleich von 220 Euro zugesprochen. Sie hatte in diesem Monat an einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt. Für die Höhe der Inflationsausgleichsprämie ist die am ersten Tag des Bezugsmonats vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich. Diese war am 1.12.2023 noch fiktiv 100 Prozent. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 8.000 Euro wegen unzulässiger Geschlechtsdiskriminierung (§ 15 Abs. 2 AGG) hatte keinen Erfolg, weil die Kommune die Klägerin nicht wegen des Geschlechts diskriminiert hat (Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung Nr. 10/2024).

Denkanstoß:

Ich bin kein Arbeitsrechtler, könnte mir aber vorstellen, dass die Entscheidung des LAG auch für andere Tarifverträge und selbst für nicht tarifgebundene Arbeitgeber ­und Arbeitnehmer – zumindest sinngemäß – von Interesse ist. Jedenfalls zeigt sie, dass „gute“ Gründe für eine arbeitsrechtliche Differenzierung bei der Gewährung der Inflationsausgleichsprämie vorliegen müssen.

Übrigens geht der Fall möglicherweise noch bis vor das Bundesarbeitsgericht, denn das LAG hat die Revision zugelassen.

Noch ein Blick ins Steuerrecht: Eine Inflationsausgleichsprämie bleibt bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Die Regelung gilt für Zahlungen, die vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 gewährt werden (§ 3 Nr. 11c EStG). Steuerlich gibt es – im Prinzip – keine Verpflichtung, die Prämie an alle Arbeitnehmer auszuzahlen (BT-Drucksache 20/3987 vom 14.10.2022). Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn es um ein Arbeitsverhältnis mit einem nahen Angehörigen geht, denn dieses muss einem Fremdvergleich standhalten.

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