Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den bei innergemeinschaftlichen Lieferungen gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht. Deshalb ist es auch unerheblich, ob ein möglicher Zeuge seine Aussage vorab in schriftlicher Form niederlegt – so der BFH. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebiete es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen (BFH-Beschluss vom 31.1.2019, V B 99/16).
Im Verfahren der Vorinstanz war die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im Hinblick auf insgesamt 20 Fahrzeuglieferungen streitig. Das FG gab der Klage teilweise statt, wies sie aber hinsichtlich zahlreicher Lieferungen ab. Es begründete sein Urteil mit dem Fehlen eines jeweiligen Belegnachweises.
Offenbar bot der Kläger daraufhin einen Zeugenbeweis an, konnte jedoch über die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH keine Revision bzw. keine Aufhebung des FG-Urteils erreichen. Der Unternehmer habe die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Ein Beweis durch Zeugen komme als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Darauf, ob ein möglicher Zeuge seine Aussage vorab in schriftlicher Form niederlegt, könne es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebiete es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen (BFH-Urteil vom 19.3.2015, V R 14/14). Im Streitfall habe das FG ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin an der Führung des Buch- und Belegnachweises nicht gehindert gewesen und dieser für sie auch nicht unzumutbar gewesen ist.
Hinweis: Auf den ersten Blick scheint die Nichtzulassung der Revision schlüssig zu sein. Und der BFH lässt erkennen, dass an seiner Haltung im Prinzip kein Zweifel aufkommen könne. Tatsächlich überrascht die restriktive Ansicht des BFH jedoch angesichts des EuGH-Urteil vom 21.11.2018 (Rs. C-664/16). Dieser hatte nämlich wie folgt entschieden: Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlange, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat. Daraus folge, dass die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern kann, weil eine Rechnung nicht alle aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Daher verstoße die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit, da dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde.
Zugegebenermaßen ging es um den Vorsteuerabzug und nicht um den Spezialfall der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen. Jedoch gewichtet der EuGH die wirtschaftlichen Aspekte bei Rechtsfragen rund um den Vorsteuerabzug und die Steuerfreiheit höher als der BFH. Daher wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich der BFH zu der aktuellen EuGH-Rechtsprechung geäußert hätte.
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In der Tat etwas überraschend. Bei den Rechnungen heißt es ja immer, dass „der Unternehmer mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln“ aufwarten darf. Das hätte man eigentlich auch auf die ig-Lieferungen übertragen können