Bis zum Herbst 2009 hätte die Aussage, dass eine Religionslehrerin die Kosten ihrer Studienreise nach Israel nicht absetzen kann, vielerorts für Zustimmung gesorgt. So war die Rechtslage damals halt: Die private Mitveranlassung einer Reise, und davon konnte man bei Studienreisen oft ausgehen, führte zum kompletten Nichtabzug der Kosten. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ließ grüßen.
Doch dann kam der Beschluss des Großen Senats vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl 2010 II S. 672), der für Aufsehen sorgte: Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich (betrieblich) und privat veranlassten Reisen können grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.
Zuvor hatte der BFH bereits entschieden, dass zum Beispiel auch die Anschaffungskosten eines PCs aufgeteilt werden können (siehe z.B. BFH 19.2.2004, VI R 135/01). Jedenfalls hat man sich in den letzten Jahren beinahe daran gewöhnt, dass das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz EStG eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Im Schätzungswege könne zumindest gewisser Anteil der Kosten trotz privater Mitveranlassung abgezogen werden, wenn die berufliche Veranlassung ansonsten feststeht.
Nunmehr hat das FG Münster aber einer Religionslehrerin den Kostenabzug für besagte Studienreise vollständig verwehrt (Urteil vom 27.1.2022, 1 K 224/21 E/www.nrwe.de). Der Sachverhalt: Die Klägerin unterrichtet unter anderem das Fach Religion an einem katholischen Privatgymnasium. In den Herbstferien 2019 nahm sie an einer vom Schulträger, dem Bistum, organisierten Studienfahrt nach Israel teil, die ausschließlich für Religionslehrer/innen veranstaltet wurde. Das Programm der einwöchigen Reise umfasste unter anderem Jerusalem, Yad Vashem, Haifa, Nazareth, Kana, das Tote Meer, den See Genezareth und mehrere Gottesdienste (weitere Infos s. NWB Online-Nachricht Einkommensteuer | Kein Werbungskostenabzug für privat mitveranlasste Reise einer Lehrerin).
Das Finanzamt erkannte den von der Lehrerin selbst getragenen Reisepreis sowie Mehraufwendungen für Verpflegung nicht als Werbungskosten an, da sich die Reise nicht von einer allgemein-touristischen Reise unterscheide. Hiergegen wandte die Lehrerin ein, dass sich das Konzept der Studienreise an den Lehrplänen des Landes Nordrhein-Westfalen und der Schule orientiert habe und sie die Erkenntnisse, die für ihre Unterrichtsgestaltung von Belang gewesen seien, in ein auf den Unterricht abgestimmtes Reisetagebuch habe eintragen können. Ferner seien die besuchten Orte für die christlichen Religionen von herausragender Bedeutung.
Doch das FG wendet das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 Satz EStG ohne Wenn und Aber an, da die Reise auch privat veranlasst gewesen sei. Dies folge aus dem Programm, das nahezu ausschließlich Ziele von allgemein-touristischem und kulturellem Interesse enthalte, die typischerweise auch von privaten Israel-Touristen besucht würden. Hiergegen sprächen auch die während der Reise besuchten vier Gottesdienste nicht, denn Gottesdienstbesuche seien in erster Linie Ausdruck der höchstpersönlichen Religionsausübung. Dass die Reise vom Bistum organisiert wurde und sich ausschließlich an Religionslehrer/innen als homogene Gruppe richtete, steht einer privaten (Mit-)Veranlassung nicht entgegen.
Ich gebe zu, dass mich das Urteil nicht überzeugt. Zwar besuchen viele Menschen Israel aus touristischen Zwecken und/oder aus religiösen Gründen. Mit der gleichen Begründung könnte man dann aber einem Sportwissenschaftler jeglichen Werbungsabzug verwehren, denn Sport treiben viele Menschen. Und wenn sich – böse gesagt – ein Richter den nächsten BGB-Kommentar zulegt, könnte man ihm entgegnen, dass sich nun einmal viele Steuerbürger für das Privatrecht interessieren.
Ich meine jedenfalls, dass ein teilweiser Kostenabzug im Schätzungswege geboten gewesen wäre. Soweit ich es sehe, ist die Revision nicht zugelassen worden, so dass zu befürchten ist, dass das aktuelle Urteil seitens der Finanzverwaltung „herhalten wird“, um Steuerpflichtigen bei gemischten Aufwendungen allgemein den Kostenabzug zu versagen.