Ein Steuerpflichtiger, der ernsthaft erklärt, selbständig tätig werden zu wollen, hat zwar einen Anspruch auf Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke. Dies gilt allerdings nicht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige eine ihm zugeteilte Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke in betrügerischer Weise verwenden wird (FG Berlin-Brandenburg 10.1.2019, 7 V 7203/18, NWB Dok-ID: TAAAH-07712).
Der Fall
Die Beteiligten stritten darum, ob dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung eine Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen ist. Der Antragsteller war in der Vergangenheit offenbar auf verschiedenen Feldern tätig, erwies sich dabei aber weder als unternehmerisch erfolgreich noch als steuerlich zuverlässig. So wurden z.B. für eine Tätigkeit keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben und die im Schätzungswege festgesetzten Umsatzsteuern nicht beglichen. Da der Antragsteller den zuständigen Finanzämtern Abgaben in Höhe von ca. 36.000 EUR schuldete, beantragte ein Finanzamt in 2016 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag wurde mangels Masse zurückgewiesen. In 2018 hatte der Antragsteller bei der Finanzverwaltung noch Schulden von fast von 53.000 EUR.
Ungeachtet dessen reichte der Antragsteller einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung wegen der Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit beim Finanzamt ein. Darin erklärte er, seit dem 1.3.2018 als Unternehmensberater tätig zu sein. Er beantragte auch eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Das Finanzamt versagte ihm indes eine Steuer-Nr. für umsatzsteuerliche Zwecke. Daraufhin stellte der „Unternehmer“ einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem er die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke begehrte.
Auch das FG lehnte den Antrag per einstweiliger Anordnung ab. Ein Unternehmer, dem eine Steuer-Nr. erteilt worden ist, begründe eine höhere Gefahr für Steuerausfälle als ein Unternehmer, dem keine solche Steuer-Nr. erteilt wurde – so die Finanzrichter. Alles in allem sei die Versagung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke geeignet, steuerlich unzuverlässigen Steuerpflichtigen den Marktzugang zu erschweren und damit die Verkürzung von Umsatzsteuer zurückzudrängen. Dass die Versagung der Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu einer Erschwerung des Marktzugangs oder sogar zu einem Verschließen des Marktzugangs führt, sei verfassungsgemäß. Das insoweit einschlägige Grundrecht der Berufsfreiheit sei begrenzt, nämlich im Hinblick auf die ebenfalls von der Verfassung anerkannten Rechtsgüter der Funktionsfähigkeit der staatlichen Finanzsysteme und die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Belastungsgleichheit der redlichen Konkurrenten.
Hinweise
Unternehmer, die ihren steuerlichen Pflichten stets nachkommen, werden dem FG Berlin-Brandenburg wohl beipflichten und die Verweigerung einer Steuer-Nr. (oder einer UST-ID-Nr.) begrüßen. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Freiheit der Berufsausübung gem. Art 12 GG ein hohes Gut darstellt und die Entscheidung des Finanzgerichts einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt. Ob dieser Eingriff zulässig ist, mag unterschiedlich bewertet werden.
Eine Entscheidung des FG Hamburg vom 30.8.2016 lässt sich jedenfalls dahingehend interpretieren, dass das Anführen einer fiskalischen Gefahr keine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Berufsfreiheit bzw. für die Versagung der Steuer-Nr. bietet (FG Hamburg 30.8.2016, 6 V 105/16, NWB Dok-ID: XAAAF-83891). Und in dem BFH-Urteil vom 23.9.2009 ( II R 66/07, BStBl 2010 II S. 712) heißt es: „Hat eine natürliche Person durch Anmeldung eines Gewerbes ernsthaft die Absicht bekundet, unternehmerisch i.S. des § 2 UStG tätig zu werden, ist ihr außer in Fällen eines offensichtlichen, auf die Umsatzsteuer bezogenen Missbrauchs auf Antrag eine Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen.“
Insofern bestehen sicherlich gute Chancen, in ähnlichen Fällen die Erteilung einer Steuer-Nr. – gegebenenfalls gerichtlich – durchsetzen zu können. Dies gilt zumindest, wenn die betrügerische Absicht nicht ganz offenbar ist.
Weitere Informationen:
- FG Berlin-Brandenburg v. 10.01.2019 – 7 V 7203/18
- FG Hamburg v. 30.08.2016 – 6 V 105/16
- BFH v. 23.09.2009 – II R 66/07
Lesen Sie hierzu auch:
Gehm, Wann darf die Finanzverwaltung die Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke verweigern?, USt direkt digital Nr. 7 vom 11.04.2019 Seite 7(für Abonnenten kostenfrei)
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Es mag ja sein, dass der ein oder andere sich der FG-Entscheidung anschließt oder nicht, jedoch dürfte es Steuerpflichtige, die ihren Pflichten stets entgegen aller Umstände nachkommen eigentlich egal sein, ob jemand anderes eine Steuernummer erhält oder nicht.
Wie auch immer, der BFH hat mittlerweile gegen das FA entschieden. Da der Kläger durch die Fehlentscheidung des FA einen erhebliche wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, dürfte die Frage der Amtshaftung interessant werden.