Seit Jahresbeginn müssen Gewerbetreibende mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf einen Beleg aushändigen. Die Kassenbonpflicht ist allerdings umstritten: Wegen der Kosten für Gewerbetreibende, eines Mehraufwands an Bürokratie und eines erhöhten Müllaufkommens. Muss die Kassenbonpflicht revidiert werden?
Hintergrund
Mit der bereits Ende 2016 beschlossenen Kassenbonpflicht will der Gesetzgeber Steuerbetrug über „Mogelkassen“ verhindern. Vor allem im Handel und in der Gastronomie gilt: Der Staat verliert Jahr für Jahr hohe Steuereinnahmen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, manipulierter Software oder auch fingierten Rechnungen gar nicht oder jedenfalls falsch erfassen. Das gilt vor allem in Wirtschaftszweigen mit hohem Bargeldanteil, etwa im Handel oder in der Gastronomie. Dem Vorbild anderer EU-Staaten wie Österreich, Italien oder Portugal folgend hat der Gesetzgeber deshalb nunmehr auch in Deutschland die Bonpflicht umgesetzt.
Was ist rechtlich zu beachten?
Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen andigitalen Grundaufzeichnungen (Kassenmanipulationsschutzgesetz vom 28.12.2016, BGBl2016 I S. 3152 ) wurde u.a. eine Belegausgabepflicht (§ 146a Abs. 2 S.1 AO) ab dem 1.1.2020 eingeführt. Das Gesetz hat folgende Schwerpunkte (BT-Drs. 18/10667 vom 14.12.2016):
- Technische Sicherheitseinrichtung in einem elektronischen Aufzeichnungssystem:
Elektronische Aufzeichnungssysteme sind durch eine technische Sicherheitseinrichtung zu schützen. Die elektronischen Grundaufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unveränderbar aufzuzeichnen (Einzelaufzeichnungspflicht) und müssen auf einem Speichermedium gesichert und verfügbar gehalten werden.
- Einführung einer Kassen-Nachschau:
Ergänzend zu den bereits vorhandenen Instrumenten der Steuerkontrolle soll als neues Instrument eine Kassen-Nachschau eingeführt werden. Die Kassen-Nachschau ist keine Außenprüfung im Sinne des § 193 AO, sondern ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte unter anderem im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme.
- Einführung einer Belegpflicht:
Erstmals wird durch § 146a AO eine Belegpflicht eingeführt. Der Steuerpflichtige muss dem Kunden einen Kassenbon mit näher spezifizierten Angaben aushändigen, die sich im Einzelnen aus der KassensicherungsVO ergeben.
- Sanktionierung von Verstößen:
Zur Sanktionierung von Verstößen wird der Steuergefährdungstatbestand des § 379 Abs. 1 AO ergänzt. Dies ist notwendig, um den neuen gesetzlichen Verpflichtungen des § 146a AO Rechnung zu tragen. Darüber hinaus können die Ordnungswidrigkeiten des § 379 Abs. 1 S.1 Nr. 3 bis 6 AO mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden.
Befreiung von der Belegpflicht möglich
Allerdings kann sich der Steuerpflichtige in bestimmen Fällen von der Kassenbonpflicht befreien lassen: Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen können die Finanzbehörden nach § 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht befreien (§ 146a Abs. 2 S. 2 AO). Im Anwendungserlass zu § 146a AO (BStBl I 2019, S. 518 ff.) regelt die Finanzverwaltung Einzelheiten einer Befreiung von der Belegausgabepflicht.
Auf die Pflicht zur Ausgabe von Kassenbelegen kann im Fall des Vorliegens sog. “sachlicher Härten“ in Ausnahmefällen verzichtet werden. Dies geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung vom 4.12.2019 (BT-Drucks. 19/15672) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (BT-Drucks. 19/15262) hervor. Solche Härten liegen etwa vor, wenn durch höhere Gewalt eine Belegausgabe nicht möglich ist. Dazu zählt zum Beispiel Stromausfall, Wasserschaden, Ausfall der Belegausgabe-Einheit oder die Unzumutbarkeit der Belegausgabe im konkreten Einzelfall. Auch Kosten des Steuerpflichtigen können im Rahmen einer Darlegung der Härte als ein Teilaspekt berücksichtigt werden, ebenso die Ziele Abfallvermeidung und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen. Ob im Einzelfall eine sachliche oder persönliche Härte vorliegt, prüft und entscheidet die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßen Ermessen.
Kritik der Verbände
Die Neuregelung hat nicht nur im Gesetzgebungsverfahren, sondern auch von den Verbänden Kritik erfahren:
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks nimmt etwa an, dass künftig ca. 500 Millionen Meter Bonpapier und damit mehr als die Entfernung zum Mond für die Belegausgabepflicht gebraucht werden (https://www.baeckerhandwerk.de/politik-presse/verbandsarbeit-events/weiterer-buerokratiewahnsinn/).
Die weit überwiegende Zahl an Kassenbons wird auf Thermopapier ausgedruckt, die Zahl der Thermopapierbons wird auf mehrere Milliarden geschätzt. Eine gigantische Ressourcenverschwendung, wenn man bedenkt, dass der Markt für Thermopapier (Kassenzettel, Park- und Verkehrstickets etc.) in der EU bereits 2018 491.000 Tonnen betrug. Die Freie Apothekerschaft hat im Januar 2020 eine Bundestags-Petition zur Abschaffung der neuen gesetzlichen Regelung angekündigt, weil die Bevölkerung als Finanzkontrolleur des Fiskus missbraucht werde.
Immerhin: Die Bundesregierung hat angekündigt (BT-Drs.19/15672) sich dafür einsetzen, mit Rücksicht auf die Praxis, bestimmte Geschäfte von Papierbelegen zu befreien. Sie verweist auch auf die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, die Belege elektronisch auszugeben. Denn es gibt keine Vorgaben, wie ein elektronischer Beleg zur Verfügung gestellt werden muss. Eine elektronische Belegausgabe kann auch per E-Mail, über Kundenkonten oder die sogenannte „Near Field Communication“ (NFC) direkt auf das Mobiltelefon erfolgen. Gerade im letzten Fall müsste der Steuerpflichtige keine persönlichen Daten des Kunden erheben.
Also: Chancen der Digitalisierung nutzen. Allerdings sollte der Gesetzgeber nochmal selbstkritisch prüfen, ob er mit der gesetzlichen Regelung nicht übers Ziel hinausgeschossen ist und deshalb nachbessert.
Weitere Informationen:
- Kassenmanipulationsschutzgesetz vom 22.12.2016, BGBl 2016 I S. 3152 (www.bgbl.de)
- BT-Drs. 18/10667 v. 14.12.2016 (www.dip21.bundestag.de)
- BT-Drs. 19/15672 v. 04.12.2019 (www.dipt.bundestag.de)
- BMF-Anwendungserlass v. 17.06.2019 – IV A 4 – S 0316-a/18/10001 BStBl 2019 I S. 518
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Grund für alle die mehr oder weniger schönen Vorschriften des § 146a AO war und ist der massive Steuerbetrug bei Bareinnahmen, unter dem übrigens all die ehrlichen Steuerzahler zu leiden haben. Wenn Kassenhersteller an die Bundesregierung schreiben, dass sie keine Kassen ohne Manipulationssoftware mehr verkaufen können läuft etwas schief in Deutschland. Hier musste der Gesetzgeber reagieren. Und was nützt eine manipulationsgeschütze Kasse, wenn der Umsatz einfach nicht in der Kasse erfasst wird. In anderen Ländern klappt es mit der Bonpflicht doch auch, ohne das diese Länder in Papier ersticken.
Was mich ehr wundert, ist warum drei !!! Jahre vergehen müssen bis Verbände, Handwerkskammern etc. auf die Gesetzesänderung Aufmerksam werden. Drei Jahre in der Lösungen hätten gefunden werden können.
Hallo Herr Giebel,
Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Allerdings wurden bereits seit 2018 die Anforderungen an Registriekassen spürbar verschärft. Ab dem 1. Januar 2020 müssen grundsätzlich alle Kassen mit einer sog. zertifizierten elektronischen Sicherheitseinrichtung (tSE) ausgestattet werden. Dies war fristgerecht allerdings aufgrund verschiedener ungeklärter technischer Details nicht möglich. Die Kammerorganisation haben vor diesem Hintergrund die Politik zur Nachbesserung der gesetzlichen Pflicht zur Ausgabe von Kassenbons aufgefordert, die ökologisch fragwürdig ist und vom Verbraucher nicht erwünscht ist.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. jur. Ralf Jahn
wenn die Bonausgabe massive Steuerhinterziehung verhindert und die Bürger also nicht mehr für diese Steuern aufkommen müssen, können die Steuern für alle Bürger deutlich gesenkt werden, oder müssen wir jetzt stattdessen für die Müllentsorgung aufkommen? Welchen Nutzen hat das Irrsinn nun für Normalsterbliche?