Tatsache ist, dass alles einen Wert hat (sei dieser auch bei null anzusetzen). Fraglich ist jedoch, ob dieser Wert auch eine Tatsache ist und zwar eine im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, der die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides rechtfertigt.
Folgender Fall liegt der Frage zugrunde: Für Zwecke der Erbschaft -und Schenkungsteuer wird eine Immobilie mit 1 Mio € nach den Regeln des Bewertungsgesetzes bewertet. Nach der Bestandskraft der Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert stellt sich bei einem Verkauf des Objektes an einen fremden Dritten schließlich heraus, dass mehr als 900.000 € für die Immobilie beim besten Willen nicht erzielt werden können. Dies bedeutet dann logischerweise, dass der gemeine Wert der Immobilie lediglich 900.000 € und nicht wie nach Bewertungsgesetz ermittelt 1 Mio € beträgt. Nun sollte man meinen, dass diese Erkenntnis eine neue Tatsache im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist, die eine Änderung des Feststellungsbescheides rechtfertigt.
Dieser Auffassung ist auch das FG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 24.03.2010 (Az: 3 K 3258/06 B) und möchte einen niedrigeren Kaufpreis selbst dann anerkennen, wenn der Verkauf mehr als ein Jahr nach dem Bewertungsstichtag stattgefunden hat. Konkret sagen die Richter: „Bei einem Grundstücksverkauf zu einem Kaufpreis, der unter dem nach steuerlichen Bewertungsvorschriften ermittelten „Bedarfswert” des Grundstücks liegt, ist der niedrigere, im normalen Geschäftsverkehr zustande gekommene Kaufpreis auch dann eine neue Tatsache (…) in Bezug auf den am Bewertungsstichtag bestehenden Verkehrswert des Grundstücks, wenn der Kaufvertrag nicht innerhalb eines Jahres, sondern erst rund 14 Monate nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossen worden ist.“
Klingt logisch. Nicht zuletzt im Sprachgebrauch würde man auch sagen, dass der geringe Wert der Immobilie nun leider eine Tatsache ist. So sieht es aber nicht das Thüringer FG in seiner Entscheidung vom 27.10.2015 (Az: 2 K 782/14). Nach Meinung der Thüringer Richter soll der Wert eines Gegenstands keine Tatsache sein, weil er lediglich das Ergebnis der Wertung von Tatsachen ist, die schlussendlich den Wert ausmachen.
Was für ein Quatsch, möchte man rausschreien. Nochmal zum Fall: Da wird in einer typisierenden Betrachtung eine Immobilie nach Bewertungsrecht taxiert. In dem regelmäßig eher unübersichtlichen Immobilienmarkt wird man dabei nie genau sagen können, ob dieser Wert nun trifft oder vielleicht zu hoch oder zu gering ausfällt. Gerade weil diese Problematiken vorhanden sind, gibt es ja gerade die typisierende Betrachtung.
Dann aber kann man mittels fremdüblichen Verkaufs Fakten schaffen und herausfinden, dass der typisierte Wert am Markt nicht zu erreichen ist und der tatsächliche Wert darunter liegt. Insoweit ist ja wohl die Tatsache des geringeren Werts nachträglich bekannt geworden.
Selbst wenn man nun der Meinung ist, dass der Wert eines Gegenstands lediglich das Ergebnis der Wertung mehrere Tatsachen ist, spricht doch nichts dagegen, dass dieses Ergebnis ebenso eine Tatsache ist, oder?
Wer daher in ähnlich gelagerten Fällen mit der Meinung aus Berlin-Brandenburg nicht zum Ziel kommt, muss auf die Revision gegen das Thüringer Urteil beim BFH unter dem Aktenzeichen II R 60/15 verweisen. Diese Revision ist wenigstens Tatsache!
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