Ist die Figur des Honorararztes „tot“?

… man wird diese Frage wohl leider bejahen müssen. Jedenfalls weitgehend.

1. Harter Gegenwind für den Honorararzt

Nach der Definition der Bundesärztekammer sind Honorarärzte Fachärzte, die in medizinischen Einrichtungen zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätig sind. Faktisch ist die Figur des Honorararztes nach einem weiteren „negativen“ obergerichtlichen Judikat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen in großer Gefahr.

Die Rechtsprechung tendiert nämlich immer mehr dazu, den Honorararzt ausschließlich als Arbeitnehmer / abhängig Beschäftigten einzustufen (vgl. schon LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2013, L 5 R 3755/11), mit der Folge der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Dies führt zu empfindlichen Nachzahlungen an die Sozialversicherung.

Beachte:

Problematisch ist, dass je nach Ausgestaltung der Tätigkeit sowohl die Einordnung als Selbständiger als auch als abhängig Beschäftigter in Frage kommt. Dieses Problem stellt sich grundsätzlich auch in anderen Branchen. Wie immer im Recht ist alles eine Einzelfallentscheidung, allerdings haben sich im Laufe der Zeit Abgrenzungskriterien entwickelt, an denen sich die Rechtsprechung orientiert.

Entscheidend für die Beurteilung ist nicht der Wortlaut des Vertrages, sondern die tatsächliche Ausführung der Tätigkeit.

Ganz allgemein gesprochen liegt eine abhängige Tätigkeit vor, wenn der Arzt weisungsgebunden ist, sowie in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden. Maßgeblich ist dabei das Gesamtbild bei Beurteilung des Einzelfalls.

2. Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat Ende letzten Jahres entschieden, dass „Honorarärzte“, die entsprechend ihrer ärztlichen Ausbildung in den klinischen Alltag eingegliedert sind und einen festen Stundenlohn erhalten, regelmäßig abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2015 – L 2 R 516/14).

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Krankenhaus mit einer Gynäkologin einen „Honorararztvertrag“ geschlossen. Die Ärztin sollte für die Dauer von einem Monat Patienten in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe betreuen und behandeln und sollte nach dem Wortlaut des abgeschlossenen „Honorararztvertrages“ als „Selbständige“ tätig sein, sich also selbst versichern. Als Stundenlohn waren 60 Euro vereinbart. Die Patienten wurden der Ärztin zugewiesen. Die Behandlung erfolgte entsprechend der Ausbildung selbständig, das Letztentscheidungsrecht hatte der Chefarzt. Die Gynäkologin arbeitete im Team mit den im Krankenhaus tätigen weiteren Ärzten und dem nichtärztlichen Personal.

Für das Gericht war entscheidend, dass die Ärztin kein Unternehmerrisiko zu tragen hatte und im Wege der funktionsgerecht dienenden Teilhabe in den Arbeitsprozess des Krankenhauses eingegliedert war. Als Gegenleistung für die von ihr erbrachte Tätigkeit erhielt sie eine Stundenvergütung – insoweit typisch für Beschäftigte. Eine Gewinn- und Verlustbeteiligung, die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen nicht vor. Eigene Betriebsmittel – bis auf die Arbeitskleidung – waren nicht eingesetzt worden. Über eine eigene Betriebsstätte verfügte die Ärztin ebenfalls nicht.

Fazit:

Bei freien Mitarbeitern ist ein Stundenhonorar üblich. Wie soll man einen Honorararzt anders bezahlen? Die rigide Linie der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zerstört noch jedes Freie-Mitarbeiter-Modell. Das ist letztlich sehr schade. Ein Instrument flexiblen Personaleinsatzes wird aufgrund der Unsicherheiten bei der Einordnung des sozialversicherungsrechtlichen Status eingeschränkt.

Diese Rechtsprechung ist nicht zu begrüßen, sie war aber absehbar.

Weitere Infos:
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2013, L 5 R 3755/11
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2015 – L 2 R 516/14

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