Kaum geforscht, aber dafür eine hohe Dividende an die Aktionäre ausgezahlt
Die SolarWorld AG hat Insolvenz angemeldet. Eine unschöne Sache. Seither wird in den Medien darüber diskutiert, wer denn der „Schuldige“ ist. Die Solarindustrie hatte vor einigen Jahren noch von hohen Subventionen profitiert. Hat daher der Drang nach Innovationen nachgelassen? Zumindest wird dies dem Vorstand vorgeworfen. Andererseits kritisierte dieser, dass die Dumpingpreise chinesischer Hersteller von Solarzellen zu einer Wettbewerbsverzerrung führten und das Unternehmen daher in Schwierigkeiten geriet.
An dieser Stelle möchte ich mich nicht weiter über die Schuldigen aus Sicht des Vorstandes oder der Öffentlichkeit auslassen. Fraglich ist doch: War die Insolvenz vorhersehbar? In der Ausgabe der Zeitschrift „Börse Online“ von dieser Woche scheint die Redaktion nicht überrascht zu sein. In der Zeitschrift ist laut eigener Aussage immer wieder gewarnt worden – die SolarWorld AG landete immer wieder auf der sog. „Schwarzen Liste“ von Börse Online.
Auch in meiner Dissertation zum Thema Forschungs- und Entwicklungskosten ist die SolarWorld AG aufgefallen. Allerdings nicht durch besonders hohe Forschungs- und Entwicklungskosten. Eine genauere Übersicht der Unternehmen mit auffallend hohen Forschungs- und Entwicklungskosten in den letzten Jahren finden Sie demnächst in einem Überblicksartikel in der Zeitschrift PiR des NWB Verlags. Dort habe ich den Fokus auf die wesentlichen Erkenntnisse meiner Forschungsergebnisse gelegt, die für die Praxis von Bedeutung sind.
Aufgefallen war die SolarWorld AG mit einer teilweise sehr hohen Dividendenrendite (vgl. dazu Tabelle 31 in meiner Dissertation). Der Aktienkurs lag zum 31.12.2007 bei 41,75 EUR und verringerte sich bis zum 31.12.2012 auf 1,06 EUR. Einen noch drastischeren Fall des Aktienkurses kann ein Unternehmen kaum erreichen. Die Dividendenrendite erreichte im Jahr 2011 ihren Spitzenwert mit über 400 %. Dieses Beispiel zeigt wieder einmal: Eine hohe Dividendenrendite alleine bringt dem Aktionär nichts – vor allem dann, wenn der Aktienkurs abstürzt wie ein Bungee Jumper. Einen Totalabsturz erreichte die Dividendenrendite dann auch im Jahr 2012: Bei einem Aktienkurs von etwas mehr als einem Euro wurde keine Dividende bezahlt. Ein drastischer Absturz eines börsennotierten Unternehmens. Schon letztes Jahr – als ich den empirischen Teil meiner Dissertation geschrieben habe – hatte ich mich gefragt, ob die relativ hohe Dividendenzahlung trotz fallendem Aktienkurs bei der SolarWorld AG langfristig möglich ist.
Ein Blick in meine Daten zeigt: Die SolarWorld AG hatte in den Jahren 2007 bis 2011 zwischen 1,5 % und 2,3 % der erzielten Umsatzerlöse für Investitionen in Innovationen (Forschung und Entwicklung) investiert. Lediglich im Jahr 2012 wird jeder zehnte Euro Umsatz in Forschung und Entwicklung investiert. Der Durchschnitt eines TecDAX-Unternehmens betrug in meiner Untersuchung knapp 12 %. Die SolarWorld AG hat also im Vergleich zu anderen Unternehmen im TecDAX relativ geringe Ausgaben für Forschung und Entwicklung (vgl. dazu Tabelle 20 in meiner Dissertation). Ob am Ende doch die geringen Innovationen zur Insolvenz führten? Zumindest die Untersuchungsergebnisse meiner Dissertation legen nahe: Die SolarWorld AG hat anstelle des Vorantreibens von Forschungsaktivitäten das Geld lieber an die Aktionäre ausgeschüttet. Dies hat sich nun offenbar gerächt.
Lesen Sie dazu:
o.V.: Insolvenz mit Ansage – nach vielen Warnungen, Börse Online, Ausgabe vom 18. Mai 2017, Seite 9.
Rinker (2017), Wertrelevanz von Forschungs- und Entwicklungskosten – Eine empirische Untersuchung börsennotierter Unternehmen in Deutschland, Wiesbaden