Immobilienübertragung im Zuge der Scheidung – Haftungsgefahr für Rechtsanwälte?

Scheidungsfolgenvereinbarungen sehen zuweilen Immobilienübertragungen zwischen den Ex-Partnern vor. Doch aufgepasst: Wird eine vermietete Immobilie im Rahmen einer Scheidung auf den Ex-Gatten übertragen, um den Zugewinn auszugleichen, so wird dies steuerlich wie eine Veräußerung gesehen. Wenn zwischen dem Erwerb des Grundstücks und der Übertragung nicht mehr als zehn Jahre vergangen sind, kann dieser Vorgang mithin zu einer steuerlichen Belastung führen. Für Rechtsanwälte kann sich hieraus eine Haftungsgefahr ergeben.

So hat der BGH jüngst entschieden, dass ein Rechtsanwalt seinen Mandanten bzw. seine Mandantin im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung darauf hinzuweisen hat, steuerlichen Rat einzuholen, wenn sich wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung aufdrängen kann und er selbst zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist (BGH-Urteil vom 9.1.2020, IX ZR 61/19).

Dem Urteil lag – vereinfacht – folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin traf Ende 2011 mit ihrem Ehemann eine notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Danach verpflichtete sich die Klägerin, an ihren Ehemann zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs neben einer Zahlung von 40.000 EUR ein Mietshaus zu übereignen. Bei Abschluss der Vereinbarung wurde die Klägerin, die Eigentümerin eines weiteren Mietshauses ist, von ihrem Rechtsanwalt beraten. Nach Umsetzung der Vereinbarung stellte das Finanzamt einen Veräußerungsgewinn über 95.976 EUR fest und forderte von der Ex-Ehefrau – unter Berufung auf § 22 Nr. 2, § 23 EStG – ein hohe Steuernachzahlung. Dabei wäre die steuerliche Belastung offenbar vermeidbar gewesen, wenn die Klägerin das andere ihr gehörende Mietshaus, für das die „Spekulationsfrist“ bereits abgelaufen war, ihrem Ehemann übereignet hätte. Die Klägerin verlangte daraufhin von ihrem Rechtsanwalt die Erstattung des Steuerbetrages sowie der Kosten eines von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens.

Der BGH hat der Klägerin dem Grunde nach zugestimmt. Ihr Anwalt hätte hier erkennen können und müssen, dass die Übertragung eines Mietshauses im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung nachteilige steuerliche Auswirkungen für die von ihm beratene Mandantin haben konnte. Er war demnach verpflichtet, die Klägerin bei der Beratung über die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen der dort vorgesehenen Grundstücksübertragung und der damit gemäß § 22 Nr. 2, § 23 EStG möglicherweise verbundenen steuerlichen Belastungen auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen.

Ob das BGH-Urteil allerdings tatsächlich zu einer Inanspruchnahme des Rechtsanwalts führen wird, muss sich noch erweisen. Denn der BGH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese muss nun klären, ob der Ehemann mit der Übereignung des anderen Mietshauses überhaupt einverstanden gewesen wäre, ob sich also überhaupt ein anderer Sachverhalt ergeben hätte.

Hinweis:

Der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass bei der Übertragung einer selbstgenutzten Wohnung auch innerhalb der ersten zehn Jahre kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entsteht. Doch falls der Eigentümer – und nicht der andere Ehegatte – vor der Scheidung aus der Wohnung ausgezogen ist, endet die Selbstnutzung. In diesen Fällen sollte ebenfalls sehr sorgfältig geprüft werden, ob § 22 Nr. 2 und § 23 EStG greifen.

Weitere Informationen:

BGH, Urteil v. 09.01.2020 – IX ZR 61/19

 

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