Die Neuregelung zur Abzinsung von Pensionsrückstellungen mit einem über 10 Jahre ermittelten Durchschnittszins hält die Praxis weiter auf Trab. Nach der Diskussion um das „Ob“ und das „Wie“ liegt zwar inzwischen die Gesetzesänderung vor. Daraus ergeben sich aber Auslegungsfragen, die teils bereits in früheren Blogs thematisiert wurden. Nun hat auch das IDW in seiner Sitzungsberichterstattung aus dem Hauptfachausschuss Stellung genommen. Einige Aspekte sollen nachfolgend skizziert werden.
Zunächst wird zutreffend auf die Pflicht zur Anwendung der Neuregelung für Geschäftsjahre hingewiesen, die nach dem 31.12.2015 enden. Ein Wahlrecht zur Anwendung der Altregelung besteht insoweit nicht. Das Gesetz räumt ein Wahlrecht nur für Geschäftsjahre ein, die nach dem 31.12.2014 begannen und vor dem 1.1.2006 endeten (Art. 75 Abs. 6 EGHGB). Eine vom Jahresabschluss abweichende Ausübung des Wahlrechts im Konzernabschluss ist zulässig (§ 308 Abs. 1 Satz 2 HGB). Eine Änderung festgestellter bzw. gebilligter Abschlüsse wird mit Verweis auf IDW RS HFA 6 nur für zulässig erachtet, wenn gewichtige rechtliche, wirtschaftliche oder steuerrechtliche Gründe vorliegen, etwa im Hinblick auf Kennziffern in financial covenants. Auf jeden Fall bei Kapitalgesellschaften ist wegen der Ausschüttungssperre die Höhe des ausschüttbaren Gewinns kein solcher Grund.
Der Gesetzeswortlaut beschränkt die neue Abzinsungsregelung auf Altersversorgungsverpflichtungen. Andere langfristige Verpflichtungen, etwa im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen, fallen nicht darunter. Andere, den Pensionsverpflichtungen vergleichbare langfristige Verpflichtungen dürften ebenfalls nicht unter die Neuregelung fallen, wie etwa Rückstellungen für Lebensarbeitszeitkonten oder Dienstjubiläen.
Zur Einordnung der Ausschüttungssperre habe ich schon in einem früheren Blog Stellung genommen. Reichlich kühn erklärt das IDW die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Einordnung der Ausschüttungssperre zu den Vorschriften für alle Kaufleute und damit den gesetzgeberischen Willen für irrelevant und will sie durch einen schlichten Verweis auf die „unterschiedliche Haftungsverfassung“ von Einzelkaufleuten bzw. Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften auf letztere beschränkt wissen. Die Ausschüttungssperre soll nach IDW-Auffassung auch nicht für haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften i.S. von § 264a HGB (KapCo-Gesellschaften) gelten. Das kann nicht überzeugen, weil
- die systematische Gesetzesauslegung eindeutig dagegen spricht,
- der Gesetzgeber dem Vorschlag im Gesetzgebungsprozess zur Verlagerung der Vorschrift zur Ausschüttungssperre zu den Regelungen für Kapitalgesellschaften gerade nicht nachgekommen ist und
- der Verweis auf ein unterschiedliches Haftungsregime und die Einordnung von KapCo-Gesellschaften wenig überzeugt.
Immerhin befürwortet das IDW eine analoge Anwendung von § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB, wonach für die Frage, ob durch eine Entnahme die Haftung des Kommanditisten wiederauflebt, der ausschüttungsgesperrte Betrag vom Kapitalanteil abzusetzen ist. Ein Wiederaufleben der Haftung ist aber kein vollwertiges Äquivalent für eine Ausschüttungssperre, denn wo nichts mehr zu holen ist, läuft eine Haftung ins Leere. Zudem war dem Gesetzgeber wichtig, den Entzug von Finanzmitteln durch eine Ausschüttungssperre zu vermeiden. Der Gesetzgeber hat der Praxis mit der Platzierung der Gesetzesregelungen in den Vorschriften für alle Kaufleute den Vorrang der Ausschüttungssperre vor der Haftung klargemacht. Zu den Besonderheiten bei Personenhandelsgesellschaften wurde schon Stellung genommen.
Wichtig ist der Hinweis des IDW auf die Zusammenfassung der Beträge der Ausschüttungssperren nach § 253 Abs. 6 Satz 2 und § 268 Abs. 8 HGB für die Bemessung des ausschüttbaren Betrags, um zu vermeiden, dass eine doppelte Berücksichtigung der ausschüttbaren Beträge erfolgt. Ebenfalls sachgerecht erscheint der Hinwies auf die Berücksichtigung etwaig bilanzierter latenter Steuern bei der Ermittlung des ausschüttungsgesperrten Betrags.
Interessanterweise greift das IDW dann u.a. auf die systematische Auslegung des Gesetzes für die Anhangangabe zum Unterschiedsbetrag zwischen dem mit einem 7-Jahresdurchschnittszins und einem 10-Jahresdurchschnittszins abgezinsten Schuldbetrag zurück und sieht hier auch Nichtkapitalgesellschaften zutreffend in der Pflicht.
Für den Ausweis der Erträge aus der Zinsumstellung sieht das IDW wie allgemein für Effekte aus Zinsänderungen nach IDW RS HFA 30 ein Wahlrecht zum Ausweis im Finanzergebnis. Sachlich erscheint jedoch eine Berücksichtigung sämtlicher Zinseffekte im Finanzergebnis sinnvoll und geboten, weil kein Bezug zum operativen Bereich besteht.
So sinnvoll viele Gedanken des IDW sind, wird auch hier wieder in Teilen eine recht großzügige „Auslegung“ des Gesetzes sichtbar. Rechtsanwender sollten im Einzelfall abwägen, ob sie auf dieser Basis bereit sind Rechtsrisiken einzugehen und ggf. auf eine Rechtsprechung bauen, die statt eigener inhaltlicher Auseinandersetzung einer IDW-Auffassung folgt. Allerdings kommt es eher selten zu diesbezüglichen Rechtsstreitigkeiten.
Weitere Informationen:
IDW, Berichterstattung über die 243. HFA-Sitzung, http://www.idw.de/ (Mitgliederberich)
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