In meinem Blog-Beitrag „Umwandlungshemmnis Investitionsabzugsbetrag“ hatte ich Ende 2017 darauf hingewiesen, dass ich kein Freund von Investitionsabzugsbeträgen (IAB) bin – zumindest wenn sie aus steuerlichen Gründen „nicht unbedingt benötigt werden“. Anders ausgedrückt: Wenn ohnehin genügend Liquidität vorhanden ist und die Gewinne stabil sind, Spitzen also nicht „geglättet werden müssen“, ist die Bildung eines IAB meines Erachtens zu hinterfragen. Ungeachtet dessen bin ich der Meinung, dass die ewigen Streitigkeiten um den IAB viel zu viele Kapazitäten bei Steuerberatern, Finanzbeamten und Gerichten binden. Angesichts der niedrigen Zinsen (ich meine nicht die Steuerzinsen) ist der Grund für die ursprüngliche Einführung, nämlich den betroffenen Unternehmern Liquiditätsvorteile zu verschaffen, ohnehin entfallen.
Aber es hilft nichts. In schöner Regelmäßigkeit plagen wir uns mit dem IAB herum. So auch künftig der BFH in dem Revisionsverfahren IV R 16/18, dem das Urteil des Niedersächsischen FG vom 15.5.2018 (3 K 74/18) zugrunde liegt.
Im Urteilsfall beanspruchte ein Unternehmen, das seine einzige Betriebsstätte in Deutschland hat, den IAB nach § 7g EStG für Werkzeuge des Anlagevermögens. Es handelte sich um Spritzgussformen, die sich bei einem Auftragnehmer (Z) in Italien befanden. Dieser fertigte mit Hilfe der Werkzeuge bestimmte Kunststoffteile für das klagende Unternehmen (vgl. hierzu auch Steuern mobil Nr. 9 vom 01.09.2018). Nach einer abgeschlossenen Vereinbarung mussten die Werkzeuge auf Verlangen des Unternehmens wieder herausgeben werden.
Im Zuge einer Außenprüfung wurde streitig, ob die Verbleibensvoraussetzungen nach § 7g EStG eingehalten worden seien, da sich die Werkzeuge seit Jahren in Italien befänden. Der Betriebsprüfer vertrat schließlich die Ansicht, es läge eine „unentgeltliche Überlassung der Werkzeuge” an die Z in Italien vor, so dass die erforderliche Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin nicht vorliege.
Das FG hat dieser Haltung widersprochen. In der Literatur werde für die räumliche Beziehung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb neben einer funktionalen Bindung an den Betrieb darüber hinaus die tatsächliche Einflussmöglichkeit des Betriebsinhabers auf das Wirtschaftsgut vorausgesetzt. Danach seien auch Wirtschaftsgüter begünstigt, die außerhalb des Betriebsgeländes zum Einsatz kommen (Baugeräte, Fahrzeuge zur Personen- oder Güterbeförderung, an Arbeitnehmer überlassene Fahrzeuge und etwa Automaten, die in Gaststätten oder Betrieben aufgestellt sind, wenn die tatsächliche Gewalt des Steuerpflichtigen bestehen bleibt ….). Mit Blick auf den Kreis der begünstigten Wirtschaftsgüter liege es nach Kulosa nahe, das Merkmal „Verbleiben” nicht streng örtlich („Betriebshof”), sondern vielmehr „funktional” aufzufassen (Kulosa in Schmidt, EStG, § 7g Rn. 7).
Im Sinne dieses Verständnisses der Regelungen in § 7g EStG seien im Streitfall die Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzungen hinsichtlich der Werkzeuge von der Klägerin beachtet worden. Die Werkzeuge seien funktional ausschließlich ihrem eigenen Betrieb zugeordnet worden. Sie habe jederzeit die Einflussmöglichkeit gehabt, die Werkzeuge herausverlangen zu können. Dies habe sie sich sogar vertraglich zusichern lassen. Insgesamt stünden der reinen Lagerung des Wirtschaftsgutes bei einem fremden Unternehmen die Steuerbegünstigung im Streitfall nicht entgegen.
Ob daneben bei einem Einsatz der Wirtschaftsgüter außerhalb des Betriebs aber im EU-Ausland und zugleich einer Besteuerung der Erträge aus den Halbfertigprodukten im Inland die Steuervergünstigung aus Gründen des Europarechts verweigert werden dürften, könne hier deshalb dahinstehen.
Das FG hat die Revision zugelassen. Höchstrichterlich sei bisher nicht abschließend geklärt, ob für die Verbleibensvoraussetzungen nach § 7g EStG nicht eine streng örtliche, sondern daneben auch eine funktionale Betrachtung entscheidend ist.
Weitere Informationen:
Niedersächsisches Finanzgericht v. 15.05.2018 – 3 K 74/18 (anhängig beim BFH unter AZ: IV R 16/18)
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
Umwandlungshemmnis „Investitionsabzugsbetrag“ (NWB Experten-Blog)